Internationaler Frauentag in Indien

Jeder Schultag beginnt 8:30 und endet 12:50 Uhr. Unsere Arbeitszeit!
Es ist kaum zu glauben, heute am 8. März wird hier der Internationalen Frauentag richtig und ganz offiziell gefeiert. Alle Mädchen wurden gestern bereits aufgefordert, in festlichem Sari zur Schule zu kommen. So durfte auch ich nicht europäisch angezogen erscheinen. Gott sei Dank hatte ich bereits in Pune von unserer dortigen Gastfamilie traditionelle Sachen mitbekommen, die nun gleich zum Einsatz kamen.
Als Frau und noch dazu als Europäerin, war ich die Hauptperson der Zeremonie. Was ich natürlich nicht wusste und auch in dem anstehenden Umfang bzw. mit dieser Wichtigkeit nicht geahnt hatte. Thomas bekam zwar auch extra einen orangefarbenen Turban verpasst aber mir wurde die Ehre zuteil, die Zeremonie abzuhalten unter verbaler Anleitung des Schulstifters (Baba). In größter Hitze das Richtige tun und das Falsche unterlassen vor den Augen von 200 Schülern und 12 Lehrern und noch etlichen Schulhelfern sowie Neugierigen das war eine Herausforderung. Unzählige Male wurden wir fotografiert. Ich musste ständig wegen des grellen Sonnenlichtes (ohne Sonnenbrille) blinzeln und daher dauerte das Fotografieren noch länger. Bereits nach den ersten Fotos war ich fix und alle.
Danach referierten 5 Schülerinnen aus der 7. Klasse in englisch kurz zu jedem Frauenbild wichtige Lebensdaten zur Person. Anschließend sollte auch ich spontan ein paar Worte zur Wichtigkeit dieses Tages und zu den neuen Errungenschaften für Frauen sagen. Gar kein Problem! Das mache ich doch in englisch jeden Tag… mir wurde noch heißer! Aber einige allgemeine Sätze habe ich dann doch geschafft! Somit war das Thema Frauenrechte bzw. die Rolle der Frau gleich am dritten Tag abgehandelt und eine an mich gestellte Anforderung erreicht.

10:30 Uhr sind wir von Baba ins Dorf zum Tempel begleitet worden. Uns wurde ein Motorrad zur Verfügung gestellt, damit wir ein wenig Fahrtwind bekommen. Der Weg ins Dorf ist nicht weit, wäre zu Fuß von der Schule auch möglich gewesen aber wie gesagt, bei diesen enormen Temperaturen, bewegt sich eigentlich niemand. Also absolvierten wir erneut in größter Hitze das gewünschte Mittagsgebet und das ganze Dorf war zufrieden und hatte uns nun auch einmal life gesehen und nicht nur von uns gehört.

Das reichte jedoch an Ereignissen noch nicht aus. Gerade heute wurde auch noch das 100-jährige Bestehen des örtlichen Kreditinstitutes (Dorfbank) gefeiert. Also ging es 12 Uhr erneut ins Dorf zur nächsten Zeremonie. Auch hier war ich kurz Teil der Zeremonie und es folgten gefühlte 100 Fotos. Jeder aus dem Dorf musste, wollte und sollte mit uns aufs Bild. Mein Lächeln wurde verkrampfter, die Schweißtropfen rannen den Rücken runter und die Performance hörte schier nicht auf. Zum krönenden Abschluss wurde uns und allen anderen Teilnehmenden ein Becher Tee gereicht und es gab etwas Brot, kleine gründe Pepperoni und einen frittierten Kartoffelball (den indischen Namen dafür habe ich schon wieder vergessen). Alle waren nun gespannt, was wir mit den Pepperoni machen würden. Thomas hatte damit gar kein Problem und ich knabberte Mikro- nein Nanostückchen und freute mich, dass mir nicht die Tränen in die Augen schossen. Gut für Magen und Darm, dachte ich…und nur weg damit!

Wie selbstverständlich werden wir in alles einbezogen. Das ist manchmal anstrengend, da die Kommunikation in englisch nur mit wenigen Personen möglich ist. Hindi sprechen wir nur ein paar wichtige Sätze bzw. Worte und Marathi (separate Sprache in Mittelindien) gar nicht.
Es war ein toller Tag mit vielen Eindrücken. Jetzt freue ich mich aber auf den Nachmittag: entspannt im Schatten vor dem Haus sitzen und NICHTS machen, nur Wasser trinken und darauf warten, dass das leckere Abendessen fertig ist. Fein!

Nun sind wir eine Woche in Indien und Magen und Darm sind (noch) in Ordnung. Während wir in Mumbai noch relativ milde Gerichte bekommen haben, nimmt die Schärfe jetzt von Tag zu Tag zu. Unser Besucherbonus scheint aufgebraucht, wir sind in die Familie aufgenommen und bekommen „keine extra Wurst gebraten“ und das im wahrsten Sinne. Die Schwiegertochter bekocht alle und muss daher früh als Erste aufstehen (4:30), da die Männer aufs Feld und zu den Tieren müssen. Sofern es dann der unterschiedliche Arbeitsalltag in der Landwirtschaft und in der Schule zulässt, essen wir gemeinsam mit der Familie. Morgens gibt es Grieß oder Reis mit gerösteten Erdnüssen, Koriander und zahlreichen anderen Gewürzen.

Wasser gibt es zu den Mahlzeiten offiziell nicht. Wir brauchen das jedoch, schon wegen der zu erwartenden Hitze. Ansonsten wird immer nur ca. eine halbe Stunde vor dem Essen getrunken, da bekommen alle gesüßten Schwarztee mit Milch.
Mittagessen entfällt für uns aufgrund der Hitze. Wir bekommen ohnehin keinen Bissen runter und trinken literweise Wasser. Zu Hause schaffe ich es oft nicht einmal, einen Liter zu trinken aber hier kann es nicht genug sein!
Das Abendessen wird für jeden auf einem kleinen runden Tablett mit einem etwas höherem Rand serviert. Darauf stehen zwei bis drei winzige Schüsseln, in denen sich eine Sauce, gedünstetes Gemüse oder ein Curry befinden. Alles unterschiedlich scharf. Außerdem sind auf dem Tablett Chapati (Fladenbrot) und verschiedene kleine, ebenfalls sehr unterschiedlich scharfe Gewürzhäufchen angerichtet. Alles wird irgendwie mit den Inhalten der kleinen Schüsseln „vermanscht“. Man hat darauf zu achten, nur und ausschließlich die rechte Hand zu benutzen. Ich schaffe das bisher nicht und muss nach einem Löffel fragen. Das trägt oft zur Belustigung aller bei. Thomas isst fast wie ein Einheimischer und bekommt daher auch schneller immer wieder Nachschlag. Ich versuche das „Fingerfood“, nutze jedoch irgendwann immer den Löffel.
Die Lebensmittel für die Mahlzeiten kommen alle aus Eigenanbau und sind absolut biologisch. Was nicht auf natürliche Art und Weise wächst, gibt es nicht. Somit ist die Vielfalt auf dem Land, im Gegensatz zu Mumbai, doch sehr eingeschränkt. Aber alles ist immer richtig lecker und nicht nur salzig sondern phantastisch gewürzt. Auch hier bleibt abzuwarten, wie ich das in einigen Wochen oder gar Monaten einschätze.

Um unsere Gastfamilie zu unterstützen, waren wir am Spätnachmittag mit dem Motorrad auf einem lokalen Lebensmittelmarkt ca. 30 Minuten von unserem Farmhaus entfernt. Der Geruch auf dem Markt… unbeschreiblich! Fisch und Fleisch auf engstem Raum bei Temperaturen von immer noch 30 Grad.
Wir wollten Hühnchenfleisch kaufen, da sich das die Familie nicht leisten kann. Sofort bekamen wir ein lebendes Huhn angeboten aber was sollten wir damit auf dem Motorrad. Also wurde fix ein herumhängendes, ausgenommenes blutiges Huhn in kleine Einzelteile zerhackt und in eine Plastiktüte gestopft. Ich bin nur nicht zusammengebrochen, da ich durch meinen Schnupfen starkes Eukalyptusöl unter der Nase hatte, das war meine Rettung!
Außerdem wollten wir auch noch Obst, Gemüse und Wasser kaufen. Alles haben wir bekommen und um den Preis gefeilscht, wie die Profis. Zum Schluss hatten wir von allem und so viel, dass der Rücktransport mit 10 Liter Wasserflaschen und einem vollen Rucksack auf dem Rücken eine kleine Herausforderung war.
Bin gespannt, wie weitere Einkäufe ablaufen und ob ich mich auch daran gewöhnen werde.

Unsere Gastgeber

Nach einer quälend langen Autofahrt von 5 Stunden über Straßen, die diese Bezeichnung gar nicht verdienen, sind wir gestern Abend in Alegaon angekommen. Irgendwo im Nirgendwo! Wir sollen/wollen die nächsten 5 Monate in einem Farmhaus bleiben, in dem eine Familie mit 7 Personen lebt. Mit ihnen leben zwei Hunde, eine Katze, ein Dutzend Ziegen, 9 Kühe, 2 Ochsen und etliche Hühner. Das Farmland besteht aus einer kleinen Granatapfelplantage, Maisfeldern und einigen Mangobäumen.
Für uns wurde extra ein separates kleines Haus (eigentlich ist es nur ein Zimmer) freigeräumt. Waschraum und Toilette sind in gemeinschaftlicher Nutzung im Nebengebäude und immerhin gefliest sowie mit europäischem WC ausgestattet, also nicht nur ein Loch im Boden. Beides wurde auch extra für uns gebaut und wenige Tage vor unserer Ankunft fertiggestellt. Bis dahin sind alle zur Toilette aufs Feld gegangen (aus Gewohnheit machen Sie das wohl auch noch einige Zeit). Elektrizität ist vorhanden, jedoch mit einigen 5 Minütigen Ausfällen am Tag. Internet gibt es auch, jedoch ebenfalls mit häufigen Unterbrechungen.

Und das sind unsere Gastgeber: drei Brüder, von denen einer-mit 72 Jahren der Älteste- die Schule vor 10 Jahren gegründet hat. Auch heute noch geht das gesamte Geld seiner Pension in die Schule und er lebt bescheiden auf der kleinen Farm.

Heute früh war dann auch unser erster „Arbeitstag“. Wir haben uns mit 6 von 12 Lehrern und dem Schulleiter getroffen und erste Themen besprochen, die angegangen werden sollten. Dabei haben wir dann auch gleich feststellen müssen, dass das gesamte Unterfangen ein recht großes Projekt wird oder werden könnte aufgrund der vielen Themen. Na ja, erstmal drüber schlafen und dann schauen wir morgen mal.

Was uns richtig zu schaffen macht, ist die Hitze. Man kann eigentlich effektiv nur 7-11 Uhr und 16-19 Uhr was machen, zwischenzeitlich sind 37 Grad! Ab 18:30 Uhr ist es dunkel… und ich meine dunkel, da kein Licht aus anderen Fenstern scheint, keine Strassenbeleuchtung den staubigen Weg erhellt, ist es nicht nur dunkel, sondern finster. Aber man sieht einen traumhaften Sternenhimmel, man hört Geräusche, die man nicht kennt und man riecht Dinge, die man nicht zuordnen kann. Natur und Landleben auf einfachste und puristische Art und Weise. Toll zum Ausspannen! Bin gespannt, ob ich das in ein paar Tagen auch noch so sehe oder nur heute, da alles neu und ungewohnt, aufregend ist.

Erste Kontakte

In Pune treffen wir Sagar und seine Familie. Gemeinsam mit Sagars Vater Baba ist er Hauptinitiator der Schule. Diese entstand ansatzweise vor 10 Jahren und wurde schrittweise erweitert. Wir besprechen in traditionellem Outfit, was die Anforderungen an uns sind. Es wird schnell klar, dass es ein rieges Projekt ist und wir viele Freiheiten bekommen, um zu strukturieren, die Lehrer zu vernetzen, Angehörigenarbeit zu etablieren, Öffentlichkeitsarbeit zu initiieren, Spendenakquisition durch den Aufbau einer Web-Site zu betreiben und natürlich mit unserer Anwesenheit für die Schule zu werben. Also kein Gedanke an ausruhen, oder doch?

Ankunft in Mumbai

Freitag früh 5:17 Uhr sind wir in Mumbai auf dem Flughafen angekommen, Dank der Ankunftszeit waren die Temperaturen erträglich, nur 30 Grad. Dann brauchten wir noch 1 Std. mit dem Taxi bis zum Haus unserer Freunde in Neu Mumbai.
Drei Dinge nimmt man schon in wenigen Stunden wahr: die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, das wunderbare vielfältige Essen aber auch den Schmutz und die Armut überall.
Zum Ausruhen sind wir in den ersten zwei Tagen noch nicht gekommen. Uns wurde in kurzer Zeit ein Update des gesamten Lebens unserer Gastgeber vermittelt, eine Einführung in indische Traditionen gegeben und einige Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf gezeigt. Selbstverständlich fehlte gutes selbstgemachte Essen und ausreichende Getränke nicht.

Unterdessen sind wir heute in PUNE angekommen. Morgen geht es von hier aus nach Alegaon ( Dorfgemeinschaft mit Schule) in der Nähe von Sangola (die nächste Stadt, 10 km entfernt). Auch hier in PUNE sind unsere Gastgeber phantastisch, es ist kaum auszuhalten, was wir alles geboten bekommt. In nur wenigen Stunden kennt man die ganze Familie (fremde Leute), bekommt man ein Motorrad zum Herumreisen, ich werde indisch eingekleidet damit das Abendessen auch perfekt ist und schön ist, wir besuchen zum Nachtgebet einen der schönsten, vergoldeten Tempel und nehmen an einer Feiertagszeremonie teil. Und wieder ein toller Tag vorbei.