Indischer Tee

In Indien gibt es vier Teeanbaugebiete: Assam, Darjeeling, Dooars und Nilgiri. Letzteres liegt in den Western-Ghats, in Südindien. Dorthin haben wir uns spontan auf den Weg gemacht. Unendliche Serpentinen ging es von Mysuru, „Stadt der Paläste“, wieder einmal mit Bus hinauf bis in stolze Höhen von 2100 Metern. Der Ausgangspunkt unserer Teeplantagenwanderung ist der Ort Ooty, ein fürchterlich dreckiger, übel riechender Ort im Tal der Nilgiri-Berge mit ca 50.000 Einwohnern. In jedem Hotel in diesem Ort sollte man absolut unkompliziert einen erfahrenen Guide bekommen, der mit einem Wanderungen in den Bergen und über die Teeplantagen machen würde. Dem war jedoch nicht so. Weder die Touristeninformation (ein leeres kleines quadratisches Hüttchen) noch die angefragten Hotels vermittelten lokale Wanderführer. Somit waren wir wieder auf uns selbst gestellt.

Allerdings haben wir ein traumhaftes kleines Hotel 16 km von Ooty entfern gefunden, was direkt in einer Teeplantage liegt. Unser Zimmer hat ein 2 x 3 Meter großes Fenster mit Blick in die Berge über die Plantage. Unbeschreiblich!!

Wir mussten den üblichen Mittagsregen in den Bergen abgewartet, da wir weder für die Temperaturen in dieser Höhe (15 bis 23 °C) noch gegen Regengüsse ausgerüstet sind. All unser tolles Equipment haben wir im Farmhaus in Alegaon gelassen. So hatten wir uns bei unserer Ankunft in Ooty noch schnell langärmelige Shirts kaufen müssen, um nicht zu frieren.
Ohne passende Bekleidung (einen Regenschirm hatten wir zur Sicherheit auch gekauft und jetzt eingepackt) und ohne Wanderführer, ja noch nicht einmal mit einer Wanderkarte (ausgeschilderte Wege gibt es leider auch nicht), sind wir also aufgebrochen. Alles kein Problem, die Zivilisation ist greifbar nah und jederzeit erreichbar.
Tolle Ausblicke über die Plantagen, nette Einheimische auf dem Weg, die interessiert nachfragen und sogar eine Privatführung in einer alten abgelegenen privaten Teefabrik waren wieder die Belohnung für unser Suchen, Warten und dann einfach Machen.

Die Ghats

Die West-Ghats sind ein Gebirgszug, der das Deccan-Plateau von der schmalen Westküste Indiens abgrenzt. So und noch ausführlicher steht es bei Wikipedia.
Die Ghats sind in Indien ihrer eigentlichen Bedeutung nach steil abfallende Böschungen, meist mit Stufen, die als Wasch- und Badestellen auch heute noch genutzt werden. Teilweise hat sich der Begriff auch verselbstständigt – so gibt es mit den Dhobi Ghats in Mumbai einen riesig großen Waschplatz, der ohne Böschung auskommt.

Während unseres Aufenthaltes in Hampi aber auch während unserer Überlandfahrten und besonders in ländlichen Regionen, haben wir zahlreiche dieser traditionellen Bade- und Waschplätze gesehen.

Unseren Beobachtungen nach baden Frauen an den Ghats immer in ihrer kompletten Kleidung und streng getrennt von den Männern. Sie dürfen jedoch ihre Haare offen tragen und im Fluss waschen.
Die Männer können ebenfalls bekleidet jedoch auch in Unter-oder Badehose baden. Dabei kann man sehen, dass Jungen einen schwarzen Strick um die Hüften tragen. Verheiratete oder ältere Männer dagegen haben einen roten Strick oder einen weissen, letzteren dann jedoch über die Schulter geknotet.

Auf unserer Tempeltour wurde uns erklärt, dass alle Tempelbauten, Skulpturen oder andere Kunstwerke absichtlich mit einer „kleinen Irritation“ versehen werden, die das Auge und den Geist von der eigentlichen Perfektion ablenken soll. Gleiches wird auch mit den Babys bzw. Kleinkindern gemacht. Sie werden um die Augen ganz fürchterlich mit Kajal geschminkt und/oder bekommen einen schwarzen Punkt zwischen die Augen. Dadurch soll der neidische, böse Blick eines Betrachters oder Dämons von der tatsächlichen Schönheit des Kindes abgelenkt werden. Eine ähnliche Funktion hat der bereits erwähnte schwarze Strick bei Jungen.
Sogar ein neu erworbenes Auto wird entweder auf der Motorhaube oder im Inneren mit „ablenkenden Utensilien“ wie z. B. Chilischoten verziert.
Wir nutzen diese Besonderheit nun auch sehr gern dafür, um Flecken auf unseren Sachen als „kleine Ablenkung von der tatsächlichen Schönheit“ zu interpretieren. Ist doch sehr clever!

“Happy Hampi!” Das ist der Leitspruch der Touristengegend in und um Hampi. Man hat hier sehr viele verschiedene Möglichkeiten für Aktivitäten und to be happy: bouldern, klettern, schwimmen, Rad fahren, in einer Bar abhängen und im Internet surfen (sofern man WLAN hat), Skooter fahren, Tempel besichtigen, ayurvedische Massagen, Yoga Stunden, Trecking oder mit einem traditionellen runden Bambusboot auf einem der Flussarme paddeln (in Begleitung eines Ortskundigen, versteht sich).
Wir haben uns für eine Radtour mit unserem bereits bekannten lokalen Guide entschieden.
Hampi liegt an einem Fluss und somit gibt es den historische Ortsteil auf der einen und den gechillten Ortsteil mit einigen Restaurants, Bars und Guesthouses auf der anderen Flussseite. Dort haben auch wir übernachtet. Unsere Radtour wollten wir aufgrund der zu erwartenden Temperaturen zeitig beginnen und so warteten wir bereits 7:00 Uhr auf die Chance, mit der Fähre von einer Flussseite zur anderen gebracht zu werden. Fährzeiten gibt es nicht, hängt alles vom Bedarf der Touristen und Einheimischen sowie von der Laune des Betreibers ab. Wir hatten Glück und 7:30 Uhr war es dann so weit, wir überquerten den Fluss und trafen uns nach einem leckeren Frühstück im „Mango Tree“ (ohne das dort versprochene kostenlosen W- LAN) mit Kitty (Krishna), unserem Guide.
Aufgrund der landesweiten politischen Wahlen wurden in Hampi alle Onlinekapazitäten für die Votings durch die Bevölkerung per Fingerprint abgezogen. Kein Netzwerk für Touristen für zwei Tage! Wir waren also von der Welt abgeschnitten! Dabei warteten wir dringlichst auf eine Nachricht der Indian Railway, die hoffentlich unser Ticket für den Nachtzug bestätigen würde. Egal, erstmal starteten wir zu unserer 4-6 stündigen Radtour zu den wichtigsten Tempeln und Palästen. Hier ein paar Eindrücke:

Trotz der Temperaturen war es eine ganz phantastische Tour, vorbei an riesigen Granitfelsformationen, kleinen Ortschaften mit Rast in einem abseits gelegenen Gartenrestaurant zum Lunch und vorbei an den zahlreichen kleinen verstreuten Ruinenkomplexen. An den großen Tempelanlagen hielten wir an und bekamen wieder erstklassige Erklärungen zu Symbolen, Schriftzügen, Bauweisen verbunden mit unterhaltsamen Geschichten über Gottheiten und deren Besonderheiten. Warum hat Ganesh einen Elephantenkopf? Wir wissen es jetzt! Es ist schon ein gigantisches Gefühl wenigstens für einen halben Tag scheinbar alles zu wissen, was es zu diesen historischen Gebäuden zu wissen gibt, Zusammenhänge zu begreifen und die andere Kultur ansatzweise zu verstehen sowie Parallelen zum Christentum zu erkennen. Leider schaut es am folgenden Tag schon wieder ganz anders aus!
Für den Rückweg wurde uns eine entspannte Abkürzung von 3 km empfohlen, die wir jedoch leider nicht gefunden haben. Wir steckten plötzlich inmitten der Granitfelsen mit den Rädern fest und wuchteten diese im Schweiße unseres Angesichts eine gefühlte Ewigkeit über das steinerne Felsmassiv. Doch auch dort oben gab es immer noch kleine Skulpturen, Schriftzüge und rituelle Opfersteine zu entdecken… kleine Entschädigung für die Strapaze!

Zurück im „Mango Tree“ und gerade eine kalte Cola hinterkippend, kam die SMS mit der Bestätigung unseres Nachtzugtickets, nur 5 Stunden vor der geplanten Abreise. Wir waren fix und fertig aber auch sehr glücklich und bestellten entspannt gleich noch eine Cola.

Hampi und Steine

Nach einer sieben Stunden dauernden Zugfahrt hätten wir fast verpasst auszusteigen, nur im letzten Augenblick hat Thomas auf Google Maps per Ortung registriert, dass wir schon da waren. Von Hosapete, der nächst größeren Stadt in der Nähe des historisch bedeutenden Hampi, sind wir dann noch einmal 10 km mit dem lokalen Bus bis zu unserem tatsächlichen Ziel gefahren.
Durch grüne Bananenhaine ging es in eine pittoreske Umgebung mit riesengroßen Granitfelsen, die wie von Riesen nach einem Murmelspiel zurückgelassen wirkten. Dazwischen tauchten mehr und mehr Tempelruinen auf. Die Abendsonne machte das Ganze noch einmal durch eine tolle Beleuchtung grandioser.
Der Kontrast dazu war dann unser Ziel „Hampi Bazar“, der so gar nichts von einem richtigen Basar hatte, sondern eher von eine Bretterbudenstadt auf einem großen Parkplatz.

Unsere Enttäuschung über den eigentlichen Ort war daher erst einmal recht groß. Hampi hat den Status UNESCO Weltkulturerbe aber der gesamte Ort ist einfach nur heruntergekommen und dreckig. Selbst unsere Unterkunftsempfehlung aus dem Lonely Planet, den wir uns vor einigen Tagen extra heruntergeladen hatten, entsprach in keiner Art und Weise den dortigen Beschreibungen. Seit Jahren hatte wohl keiner der Lonely Planet Autoren einen Fuß in das „Sunny Guesthouse“ gesetzt. Dafür war der Preis mit 600 IRU = 7,50 EUR pro Nacht auch unschlagbar… gutes Zeltplatzniveau! Immerhin – Dusche (wenn auch kalt) und zwei (!) Betten – mehr als auf unserer kleinen Farm.

Jedoch der Tipp, die lokale Touristeninformation in einer der Tempelanlagen aufzusuchen und dort einen Reiseführer zu buchen, war genau richtig. Auf unserer ersten Erkundungstour durch die Ruinen- und Gebirgslandschaft waren wir uns sicher, dieser Guide ist genau richtig. Fach- und sachkundig hat er uns über die indische Götterwelt am Beispiel der vielen Tempelruinen von Hampi aufgeklärt. Nun wissen wir, dass jeder Gottheit eine Frau und darüber hinaus noch ein Tier als Transportmittel zugeordnet wird sowie Symbole, an denen man diese dann auch alle erkennt. Damit wir unser Wissen nicht gleich wieder vergessen, bekamen wir es sogar mit einer kleinen Notiz aufgeschrieben. Nun üben wir täglich die Namen. Es wird jedoch noch ein wenig dauern, bis wir das alles verinnerlicht haben. Aber wir haben ja Zeit und sicherlich müssen wir irgendwann mal wieder WARTEN.

Die gesamte Anlage von ca. 40 Quadratkilometern kann man frei besichtigen, keine Zäune, kein Eintritt…nix. Bis 2011 waren auf und in den Ruinen noch Wohnhäuser sowie kleine Läden, die sich mit den Jahren zu einer Ortschaft „Hampi Bazar“ ausgebreitet hatten. Diese wurde jedoch dann auf staatliche Anordnung hin abgerissen und die Menschen umgesiedelt. Die Diskussionen darüber sind vielfältig und zwiespältig. Pro und Kontra gibt es auf beiden Seiten.
Unsere guided Tour sollte eigentlich zu Fuß in drei Stunden durch einen Teil der Ruinenkomplexe und in den Haupttempel führen. In der einmaligen Landschaft brachten jedoch die Ruinen, Felsen und Tempel hinter jeder Ecke ein neues tolles Fotomotiv hervor. Die Mischung von Tempelruinen und Granitmurmellanschaft ist einmalig und unbeschreiblich. Obwohl wir natürlich wissen, dass man Tempel vor Landschaft zu Hause keinem zeigen kann, weil nichts den Gesamteindruck so wiedergibt, wie das gesamte Erlebnis (sei es z.B. die Tempelglocke im Hintergrund oder der Geruch der Räucherstäbchen, dazu die sengende Hitze, das kühlende Wasser der Pumpe am Tempel) haben wir über 50 Fotos gemacht und dann verzweifelt aufgegeben und nur noch die Umgebung genossen.

Letztendlich haben wir viel länger als die veranschlagten 3h gebraucht und müssen trotzdem nochmal weitermachen. Schließlich haben wir ja noch zwei Tage hier vor Ort.

Indien Railway

Sonni und ich lieben Bahnfahren – und auch hier in Indien ist Bahnfahren oft die bessere Alternative zu Bus und Auto. Die Straßen sind teilweise gottserbärmlich, ein funktionierendes Schnellstraßensystem existiert nicht – und auch auf den vorhandenen mehrspurigen Straßen können einen die unvermittelt auftauchenden Speedbumps (manchmal die gefürchteten dreifach hintereinander gebauten) zu einer Vollbremsung zwingen, was insgesamt das Fahren auf der Straße mit Bus oder Auto mit Fahrer zu einer sehr ungemütlichen Angelegenheit werden lässt.
Wir sind daher inzwischen mehrfach Bahn gefahren. Es ist allerdings nicht so leicht, sich mit dem indischen Kartenverkaufssystem vertraut zu machen.
Es gibt 5 verschiedene Klassen, was auch Sinn macht, da die Züge oft einen ganzen Tag unterwegs sind. Die normalen Seater sehen so aus, wie man sich immer noch die indischen Züge vorstellt. Sie sind überfüllt, alles drängt sich zwischen Sitzen und Gängen mit durchgängig vergitterten aber offenen Fenstern – dafür sehr billig. Es schließen sich die einfachen Sleeper und die Aircondition Sleeper Abteile an, letztere dann entweder zwei- oder dreistöckig. Das sind aber keine echten Abteile. Alles ist offen, nur mit vollkommen verranzten Vorhängen kann man die einzelnen Abteile vom Gang trennen. Man bekommt aber frische Laken und Decken, die in Ordnung sind.
Die Fahrt ist aber ein Abenteuer, die Türen sind meistens auf, man blickt auf die wahnsinnig tolle Landschaft, die an einem vorüberzieht, insbesondere wenn sich der Zug mit vier Lokomotiven die Westghats hochquält. Teilweise kann fast man mitlaufen, so langsam geht es vorwärts. Schneller als 80 km/h wird es nie.

Eklig ist die Toilettensituation – nicht innen, da sind die Toiletten einigermaßen ok und sauber – aber es geht alles noch direkt nach draußen. Teilweise stinkt es deshalb bestialisch. Als ich auf dem Weg nach Goa eine Weile an der Tür stand und ein paar Spritzer Wasser abbekam von den vorausfahrenden Wagen, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher ob das alles nur Wasser war. Ich bin sonst recht hart im Nehmen was Sauberkeit und Ekelgrenze angeht (oft zum Leidwesen von Sonja) – aber hier war definitiv meine Grenze erreicht. Erst im Hotel in Goa nach mehrfachen Duschen hab ich mich wieder besser gefühlt.

Aber allein die Buchung ist schon ein Abenteuer für sich. Die indische Eisenbahn hat für alle Klassen oberhalb der einfachen Seater Klasse ein Online System entwickelt, das zwar technisch sehr gut funktioniert aber schon ein wenig an eine Lotterie erinnert. Die Züge sind normalerweise spätestens eine Woche vor Abfahrt ausgebucht. Wer danach bucht, wird auf eine Warteliste gesetzt und erfährt bis direkt vor Zugabfahrt (zu sehen mit unseren Namen auf den Fotos unten mit den großen Bildschirmen) ob er berücksichtigt wurde oder nicht. Es gibt sogar Webseiten, die einem an Hand der eigenen Wartelistennummer mitteilen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man einen Platz erhält. Wenn man Pech hatte und nicht berücksichtigt wurde, dann wird der Preis für das Ticket abzüglich einer Bearbeitungsgebühr zurückerstattet. Allein das ist für uns schon eine Frechheit, denn wenn man unbedingt innerhalb einer gewissen Zeitspanne reisen muss, bieten sich nun die folgenden Möglichkeiten:

  • Man nimmt die normalen Seater, was z.B. Bei Übernachtzügen für uns nicht in Frage kommt, da total überfüllt.
  • Man lässt sich auf die Warteliste setzen und bangt bis zur Zugabfahrt, was man macht. Falls man es nicht schafft, nimmt man sich doch einen Seater, sollte jedoch dann sicherheitshalber seine Wartelistentickets (gegen Gebühr natürlich) stornieren, damit nicht eine Minute nachdem man die Seater Tickets gekauft hat, die eigenen Wartelistentickets plötzlich bestätigt werden.

Wir hatten Glück und haben rechtzeitig erfahren, dass wir von Wartelistenposition 46 mit 37% Wahrscheinlichkeit (laut Vorhersagewebsite) 12 Stunden vor Zugabfahrt per SMS informiert wurden, dass wir fahren dürfen. Erleichterung! Für Die Reise von Hampi nach Mysore (14h über Nacht) haben wir mit einer Buchung ein bestätigtes Ticket und ein Wartelistenticket auf Platz 1. Obwohl die Wahrscheinlichkeit hoch sein sollte, bangen wir natürlich etwas und sind gespannt, ob wir hier gut wegkommen.

Das ändert aber nichts daran, dass wir die Bahn lieben und immer noch allen anderen Verkehrsmitteln vorziehen.