Auf unserer Rückreise und bei Ankunft in Jomsom entdeckten wir ein kleines Cafe, welches tagsüber als Gallery und am Abend zusätzlich als Musikbar betrieben wird. An den Wänden hängen Gemälde von einheimischen Künstlern. Der Betreiber spielt klassische Musik oder auch Filmmusiken auf dem Keyboard und gelegentlich musiziert er gemeinsam mit Gästen, die im angrenzenden “Om’s Home” übernachten.

Auch wir haben dort übernachtet. Gegenüber befindet sich der Flughafen von Jomsom und so würden wir unseren Flug zurück nach Pokhara am nächsten Tag 6:20 Uhr ohne grossen zusätzlichen zeitlichen Aufwand gut erreichen. Dachten wir uns jedenfalls! Leider war in den Morgenstunden die Wolkendecke so dicht, dass unser Flug erst verschoben und nach stundenlangem Warten endgültig gecancelt wurde. Alle Flüge wurden für diesen Tag gestrichen! Nun war wieder einmal guter Rat teuer. Wir hatten zwar einen Tag Puffer bis zu unserem Flug von Pokhara nach Kathmandu aber das Wetter ist in diesen Höhenlagen unvorhersehbar und extrem wechselhaft, so dass es oft nur sehr kurze Zeitfenster für Füge gibt. Wir waren verunsichert: warten und am nächsten Tag erneut versuchen einen Flug zu bekommen oder eine Rückfahrt mit dem Jeep buchen? Ersteres schien uns zu riskant, daher entschieden wir uns für den Jeep. Anderen Touristen ging es ebenso und so taten wir uns mit einem Dänen und zwei Mädels aus Leipzig zusammen, zahlten 27.000 NR und fuhren 12:00 Uhr los.
Die Fahrt sollte 10 Stunden dauern und unsere Leidensfähigkeit erneut auf eine harte Probe stellen. Wie schon mehrfach beschrieben, passierte wir auch diesmal etliche Erdrutsche bzw. Steinschläge und auch der Jeep quälte sich durch die extremen Schlammmassen vorbei an tiefen Abgründen. Wir hofften erneut, unseren Glücksvorrat noch nicht vollständig aufgebraucht zu haben und gesund ans Ziel zu kommen.

Unterwegs sammelten wir noch zwei Spanier ein, die es mit einem lokalen Bus versucht hatten, der aber unrettbar in den Schlammmassen festgefahren war. Nach tatsächlich knapp zehn Stunden kamen wir dann alle heil und unversehrt an. Wir waren zwar vollkommen fertig aber andererseits heilfroh, dass unser Glückskontingent offenbar doch noch etwas Puffer hatte.

Kagbeni und das Königreich von Mustang

Mit unserer Herberge ganz am Rand des oberen Mustangs haben wir extrem Glück gehabt. Nicht nur, dass das Dorf ein einziges Museum ist, auch unsere Unterkunft war es. Die geologische Vergangenheit bringt unglaubliche Vielfalt in den Gesteinsformationen mit sich. Weder bin ich Geologe noch stehe ich eigentlich im Verdacht besonderer Liebe zu Steinen – aber auf diesem Gelände in 3000m Höhe rundgeschliffene Steine und Meeresablagerungen zu finden, macht einen dann doch schon etwas ehrfürchtig.
In die mit abgeschliffenen Steinen durchsetzten Lehmschichten hat der Regen nicht nur große Türme hineingewaschen sondern auch kleinere Höhlen, teilweise mit Menschenhand vergrößert. Die werden und wurden teilweise als Meditations- und auch Wohnhöhlen verwandt.

Das obere Mustang kann man nur mit Führer und Permit bereisen (10 Tage Permit aktuell 500$ pro Person + Führer 25$ pro Tag). Wir sind diesmal an der Grenze zwischen unterem und oberem geblieben und konnten aber allein schon dort viele extrem imposante Eindrücke erhalten.

Die Ortschaften sind in der kargen Landschaft meist auf kleinen Halbinseln des weitaufgefächerten Flusses gebaut. Anbaufläche wird dem Tal mühsam abgetrotzt. Wir haben einige Traktoren gesehen, die Flussschlamm aus dem Tal auf die oberen Plantagen befördert haben. Die Terrassen werden an den Stufen mit Weiden und dahinter mit Obstbäumen (meist Äpfeln) bepflanzt. Überall riecht es nach wilder Minze, die von den Bauern auch gesammelt und zu Tee verarbeitet wird. Wir haben auf 3400m sogar noch Aprikosen gefunden, die dann gleich getrocknet wurden.

Neben der Landwirtschaft leben die Leute hier vom Tourismus. Da der Annapurna Circuit hier durchgeht, ist das komplette Leben auf die Ernährung von Hundertschaften europäischer Abenteuertouristen ausgelegt. Überall gibt es Lodges. es werden alle möglichen Erzeugnisse aus Yak-Wolle und Sanddornsaft angeboten. Die Preise muss man extrem verhandeln. bzw. überlegen, wo man seine persönliche Schmerzgrenze setzt. Als wir besipielsweise den Aufstieg nach Muktinath über 1000m gemacht haben, wollten wir wegen Sonnis Knie den Weg zurück lieber fahren und fragten an mehreren Stellen in Kagbeni nach Möglichkeiten. Überall wurde uns ein privater Jeep angeboten mit 40$-60$, weil der Weg so schlecht und gefährlich sei.
Das haben wir dann nicht gemacht, wir stellten dann fest, dass sogar eine asphaltierte Fahrstraße parallel Trekkingweg zum Gipfel ging – der Weg zurück kostete dann für uns beide in einem oben gebuchten Sammeltaxi 5$. Ähnliches galt auch für weitere Situationen. Die Grenze zwischen berechtigtem Aufpreis für Ausländer (z.B. Flug für Nepalesen 50$ vs. 125$ für Ausländer) und gefühlter Abzocke verläuft dabei fließend.

Kagbeni selbst war früher schon eine Grenzstadt und besaß daher ein Fort, das jedoch inzwischen verfallen ist. Wie überall im Mustang kann man sich sehr gut über die Dächer fortbewegen, die irgendwie alle miteinander verbunden sind. es gibt ein Miteinander von Viehzucht und Leben und Touristen. Unsere Unterkunft roch noch stark nach Stall und war verwinkelt wie ein Labyrinth. Die Stupas sind allgegenwärtig und die Gebetsmühlen, die rasch im Vorbeigehen mit der rechten Hand gedreht werden. Hier noch unkommentiert ein paar Eindrücke aus dem Dorf, das uns ziemlich gefallen hat.

Eigenes Basislager in den Bergen

Wir haben in Kagbeni auf 2900 Metern unser eigenes “Basislager” aufgeschlagen. Von hier aus konnten wir in den letzten beiden Tagen wunderschöne Trekkingtouren unternehmen. Trotz der Höhe, in der wir uns befinden bzw. in die man von hier aus auch noch aufsteigen kann (3800 Meter), sind die Touren für uns gut machbar.
Die karge, menschenleere Landschaft ist atemberaubend. Man braucht keine Wanderkarte, da man den Weg mit blossem Auge ewig weit sehen kann. Unterwegs kommt man an kleinen Ortschaften aus Lehmhäusern vorbei. Vereinzelt sieht man alte Mauerreste oder verfallene Paläste. Die wenigen neuen Häuser sind meist als Lodges oder “Restaurants” ausgelegt. Prima für eine Verschnaufpause nach anstrengendem Aufstieg.

Es gibt überall frischen Apfelsaft. D.h. wenn man einen solchen bestellt, werden die Äpfel im Garten hinter dem Haus gepflückt, in der Küche gepresst und der Saft serviert. Ein Genuss! Selbstverständlich wird die köstliche Ernte auch anderweitig verarbeitet: Apfel-Pancake, Apfel scrumble, Apfel crumble, Apfelkuchen oder man kann sich auch einen Apfelwein bzw. Apfelcidre hinter die Binde kippen. Alles ökologisch-biologisch einwandfreie lokale Produkte!

Apfelbäume werden am häufigsten angepflanzt. Die kleinen Baumplantagen verstecken sich meist hinter einer Reihe Weidenbäume. Durch sie werden die Apfelbäume entweder vor den Wassermassen im Tal geschützt oder die Weiden dienen als Randbefestigung an steilen Abhängen auf den Hochebenen. Es gibt aber auch Aprikosenbäume (die Früchte werden auch hier getrocknet) und jede Menge Sanddorn (Sea buckthorn).

Erstmals haben wir unterwegs Yaks gesehen. Deren Fleisch hatten wir bereits am Vortag in einem Burger und als Steak probiert. Leider recht zähes Fleisch, so dass es wahrscheinlich keinen zweiten Versuch geben wird. Auf alle Fälle ernähren wir uns hier sehr gesund, mit lokalen biologischen Produkten (Buchweizenfladen, Kartoffelcurry, Griesklos-Gemüsesuppe).
Von Einheimischen haben wir erfahren, dass in den Bergregionen Nepals das Töten von Tieren zum Fleischverzehr verboten ist. Daher werden Kühe, Ziegen oder Schafe auf dem Viehtrieb so gelenkt, dass ein Tier abstürzt und dadurch getötet wird. Keine schöne Vorstellung. Also gibt es für uns doch eher weiterhin vegetarische Kost!

Nach unseren Wanderungen sitzen wir entspannt auf dem Dach unserer Lodge, schauen über die Dächer des Ortes und geniessen den gigantischen Blick ins Tal und auf die Berge.

Unser Flug von Pokhara nach Jomsom sollte heute 6:00 Uhr starten und nur 18 Minuten dauern. Aufgrund der ständig wechselnden Wetterverhältnisse müssen alle Touristen immer extrem zeitig an den Start. Wir waren sogar die ersten an einem noch dunklen geschlossenen Flughafengebäude. Doch für uns ging es genau aus diesen Gründen (Wolken und Regen) dann erst 8:00 Uhr mit einem erneut winzigen Flugzeug los. Der Flughafen von Jomsom ist schon ziemlich anspruchsvoll für die Piloten. Man fliegt in ein langes Tal hinein und landet direkt zwischen hohen Bergen, die sich links und rechts vom Flugplatz erheben. Unser Bedarf an Abenteuer war nach der Landung erst einmal gedeckt.

Heute haben auch wir “Annapurna-Luft” geschnuppert. Der bekannte 10 bis 12-Tage-Trail endet in Jomsom und alle Trekker müssen auch durch Kagbeni, d.h. sie passieren beide Orte während des Abstieges. Wir sind bei strahlendem Sonnenschein ca. 10,5 km von Jomsom nach Kagbeni gelaufen, also in entgegengesetzter Richtung zum Trail. ALLEIN! Kein einziger Tourist weit und breit, herrlich!

Die Landschaft ist hier ganz anders als auf dem “Manaslu-Trail”: karg, steinig und sandig. Wir laufen an einem breiten Flussbett entlang. Der Weg, fast eine unbefestigte Strasse, ist breit und vom Aufstieg gut zu bewältigen.

An einer Stelle ist das grau-schlammige Flussbett so wasserreich, dass es für mich keine Chance zur Überquerung gibt. Ich werde, wie die Einheimischen (diese sogar mit Motorrad) auch, mit einem riesigen Traktor durch die Wassermassen gefahren. Thomas ist mutig und überwindet die Strömung doch noch an einer günstigen Stelle zu Fuß.

Nach 3,5 Stunden kommen wir in Kagbeni in der “Redhouse Lodge” an. Diese wurde 1870 erbaut und im Inneren findet man noch historische Wandgemälde, Gebetsmühlen, einen antiken Tempelraum mit Buddha-Statue, Wandteppiche und alte Einrichtungsgegenstände. Vom grossen Speisesaal blickt man direkt auf die alten Lehmruinen eines Palastes. Wir wohnen also die nächsten 4 Tage (übrigens auch allein, da Nachsaison) im Museum. Was für ein erhebendes Gefühl. Während ich dies schreibe, klingt im Hintergrund die Buddha Puja in dem dicht an unserem Zimmer gelegenen Gebetsraum aus, die uns den ganzen Nachmittag mit lärmenden Trommeln, Gesängen und Zimbeln begleitet hat. Die erste Stunde konnten wir noch locker als exotische Erfahrung verbuchen – die restlichen Stunden wurden eine echte Herausforderung.

Fünf Tage sind wir unterdessen in Pokhara zum Entspannen. Wir haben ein wenig gelesen, den Blog weiter geschrieben und ich kam in den Genuss wirklich professioneller Massagen. Es waren allerdings Thai-Massagen und diese daher weniger entspannend. Abends haben wir sehr lecker gegessen und Thomas war sogar paragliden. Einen Tag sind wir mit Motorrad in die Berge gefahren und heute dann noch etwas aktiver mit Mountainbikes unterwegs. Somit haben wir alles gemacht, was man hier im Ort ohne Reiseagentur weitestgehend selbständig unternehmen kann.

Auch beim Radfahren sollte man nicht leichtsinnig den Gedanken an eine heimatliche Radtour assoziieren. Nach wenigen Zweiradumdrehungen wird auch hier klar, das wird anstrengend und schweisstreibend. Der Weg ist, wie sollte es auch anders sein: steinig, schlammig, hügelig und hat unendlich viele tiefe Schlaglöcher. Teilweise muss man Flussläufe kreuzen und nutzt dafür lieber die kleinen manchmal provisorisch wirkenden Brücken. Allerdings bringt das Durchradeln auch eine kleine Abkühlung und ist bei den Aussentemperaturen von weiterhin 25-30°C sehr angenehm und erfrischend.

Wir müssen beide unweigerlich an unseren Freund Jens denken, der Downhill- und Langstreckenerfahrungen hat. Für ihn wäre das alles gar kein Problem. Uns kribbeln alsbald die Handflächen, der Hintern schmerzt vom schmalen Hartsattel, die Handgelenke werden gestaucht beim Steine-Ausweichmanöver und die Waden bzw. die Knie brennen von den Abfederungsversuchen…aber wir halten tapfer 20 km durch.

Dafür ist das Tal wieder wunderschön. Satte grüne Reisfelder, klare Bäche und am Wegesrand immer mal wieder kleine Dörfer. Nach wenigen Kilometern lässt man alle Touristen Spots hinter sich und ist mit sich, der Natur und den Einheimischen allein.

Nun sitzen wir wieder in einer Bar mit Bergblick, trinken Ice-Tea und Cappuccino und freuen uns über den schönen und vor allem aktiv verbrachten Tag.
Morgen geht es weiter in die Berge, noch einmal auf 2700 und 3800 Meter Höhe nach Jomsom und Kagbeni. Wir wollen “Abschied nehmen” von den Bergen. Alle Flüge, auch unsere Rückflüge nach Kathmandu und Berlin sind gebucht und bestätigt. Es sollte also nix mehr schief gehen.