Die letzten beiden Wochen bin ich in vielen Veranstaltungen eingebunden gewesen, die zum Gedenken der Toten vor 25 Jahren stattfinden. Vieles davon passiert wirklich auf staatlicher Ebene, so dass man leicht annehmen könnte, dass dies alles nur staatlich gelenkt ist. Zum Beispiel gibt es ein einheitliches Logo, dass überall verwendet wird, und hier zum Beispiel an den an diesem Tag geschlossenen Restaurants angebracht ist.
Je mehr man jedoch in Kontakt mit den Bewohnern kommt, desto stärker wird einem bewusst, wie stark dieses Thema im Alltag aller Bewohner verankert ist. Meine Kollegen auf Arbeit verbringen im April sehr viele The bei Gednkfeierlichkeiten für Angehörige, sei es am 14. April für den Vater, am 17, April für den Onkel oder am 19. April für die Tante mit den Kindern. Es dreht einem das Herz um, wenn man merkt, wie tief die Wunde ist, die hier vor 25 Jahren geschlagen wurde.
Auch wenn man teilweise schon eine leichte Distanz zu der institutionalisierten Trauer mitbekommt (eine Kollegin lästerte über eine andere vor Kurzem – sie würde wohl gerötete Augen haben, da sie die ganze Woche geweint habe) – ist doch im Allgemeinen die Auseinandersetzung für mich echt und wenig gesteuert.
Ein Kollege erzählte mir, dass zu Beginn das ganze Land von April bis Juli nicht arbeitsfähig war – alle trauerten und fuhren zu den Orten der Massaker an ihren Familienangehörigen. In dieser Zeit fanden keine Feste oder Parties statt. Später versuchte man dann das ganze zu kanalisieren und auf die Woche nach dem Start des Massakers zu beschränken. Die meisten nutzten dann diese eine Woche um ihre Heimat zu besuchen und it ihren verbliebenen Angehörigen zu trauern. Mittlerweile ist seit diesem Jahr auch diese eine Woche de facto eine volle Arbeitswoche, auch wenn am Nachmittag viele Veranstaltungen stattfinden.
Sonntag
Die größte offizielle Veranstaltung ist die Feststunde im Amahoro Stadion, das während des Genozids einer der wenigen Zufluchtsorte war. Sie ist der Endpunkt des “walk to remember” der vom Parlament bis zum Stadion führt und von der gesamten eigenen und geladenen Politprominenz angeführt wird. Die Stadt ist in einem totalen Ausnahmezustand. Dauernd werden irgendwelche Staatsgäste empfangen, begleitet, verabschiedet. Aus Deutschland war Horst Köhler da. Die Feierstunde selbst sehr unprätentiös, einige Reden, ein Chor und der Bericht eines Zeitzeugen. Während dieses Berichtes brachen einige Besucher hysterisch zusammen und mussten nach draußen gebracht werden. Einige davon waren jedoch laut eines Kollegen von mir, der näher dran saß, jünger als 25 Jahre und konnten eher nicht die eigenen Erlebnisse sondern eher die der Bekannten oder Verwandten verarbeitet haben. In meinem Umfeld war es eine ältere Frau, die von ihren Nachbarn und Ordnungspersonal nach draußen geleitet wurde.
Zur Musik gab es Kerzen, was insgesamt als das Licht gelöscht wurde, einen sehr bewegenden und berührenden Moment ergab.
Lange Schlangen am Einlass
Eine Flut von Kerzen
Montag
Am Montag Nachmittag gab es sozusagen politische Bildung. Am Nachmittag gab es direkt bei meinem Arbeitgeber für alle Mitarbeiter eine obligatorische Veranstaltung in der über Planung und Ausführung des Genozids gesprochen wurde. Leider wurde sowohl Präsentation als auch Fragestunde in Kinyarwanda gehalten, so dass es für mich schwer war zu folgen. Immerhin konnte ich einiges von der Präsentation life übersetzen. Für mich war es dabei interessant, herauszubekommen, ob die Erinnerungskultur tatsächlich mit der aktuellen Regierung verwoben wird, wie ich es eigentlich vermutet hatte und auch aus DDR-Zeiten so kannte. Es kamen jedoch m.E. keine der üblichen Phrasen vor – In der ganzen Präsentation fehlten die Begrifflichkeiten für die RPF oder Paul Kagame. Auch den Feedbacks der Mitarbeiter zu Folge ging es im Wesentlichen tatsächlich um die Geschichte und Durchführung des Genozids.
Mittwoch
Die die offizielle Gedenkveranstaltung meines Arbeitgebers fand gemeinsam mit der staatlichen Post statt um die getöteten Mitarbeiter der Post zu ehren. Diesmal ging die Veranstaltung 3 1/2 Stunden – und war auch durchgängig auf Kinyarwanda. Da es diesmal nichts Schriftliches gab, konnte ich noch schlechter folgen und konnte das Geschehen nur leidlich verfolgen. Es begann mit einem Gebet, anschließend gab es Blumen zum Niederlegen am Gedenkstein, es gab Reden, das Entzünden einer Gedenkflamme und ein Gedicht, vorgetragen von drei Mitarbeiterinneren der Post. Den bewegenden Teil musste ich mir danach von meinem Chef erzählen lassen, der mir erklärte dass die eine Rede von einer Zeitzeugin war, die seit den Sechziger Jahren dort in der Post gearbeitet hatte und die vielfältigen Unterdrückungen, die es auch vorher schon gegeben hatte, am eigenen Leib miterlebt hatte.
Ich bin mir nach den letzten beiden Wochen nicht sicher, ob das Wort “instrumentalisieren” tatsächlich in diesem Zusammenhang richtig ist oder eher das Wort “kanalisieren”. Ich werde weiterhin versuchen, einen möglichst neutralen Blick zu behalten.
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