Thomas und ich hatten von März bis August 2018 eine sehr intensive und auch arbeitsreiche Sabbatzeit in Indien verbracht. Land und Leute waren uns dabei sehr ans Herz gewachsen. Nur schwer und tränenreich hatten wir von unserer Gastfamilie in Alegaon und Pune (Maharashtra) Abschied genommen.
Trotzdem! Ich freute mich auf Berlin, auf unser zu Hause, auf unsere Freunde, die Familie und natürlich auch auf den Job. Das halbe Jahr in Indien war einerseits lang und sehr ereignisreich, andererseits reichte es jedoch nicht aus, um schlechte Gewohnheiten abzulegen und Neues im Alltag einzubinden. So waren wir mit all unseren guten Vorsätzen und einem großen Veränderungswillen doch relativ schnell wieder in „good old Germany“ angekommen.
Kurz nach unserer Rückkehr bahnte sich bereits im Oktober 2018 ein Jobwechsel bei mir an. Thomas suchte intensiv nach einer passenden Stelle als Projektleiter (am liebsten mit internationaler Einbindung!).
Am 01.12.18 wechselte ich dann bei meinem langjährigen Arbeitgeber, der Stephanus gGmbH, von meiner Stelle als Leiterin eines ambulante Betreuungsbereiches für Menschen mit kognitiven Einschränkungen in die Hauptgeschäftsstelle des Geschäftsbereiches Wohnen & Assistenz. Dort nahm ich als Referentin für Projekte und Projektmanagement eine sehr interessante und herausfordernde Stelle an. Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) für den Geschäftsbereich und die verbundenen Service- sowie Vorstandsbereiche stand auf dem Plan. Das multiprofessionelle Projektteam bestand aus ca. 12 Leuten der Bereiche Facilitymanagement, IT/Software und Dokumentation, Compliancemanagement, Bereichs- und Unternehmenscontrolling, Qualitätsmanagement, Pädagogik, Strategisches Projektmanagement sowie Unternehmenskommunikation.
Dass ich mich innerhalb eines Jahres erneut mit dem Gedanken, für längere Zeit in eine „andere Welt“ zu reisen, tragen würde, war für mich unvorstellbar. Und doch kam es genau so.
Thomas erhielt im Dezember 2018 ein Angebot für eine Stelle als Projektmanager bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Ruanda. Ruanda? Wo ist das denn? War da nicht…? Unvorstellbar! 1994 Massengenozid! Hutu! Tutsi! Ich kannte nur Schlagworte und war beunruhigt und verunsichert.
Wir hatten nach zahlreichen Gesprächen und intensiven Diskussionen beschlossen, jeder von uns nimmt seine neue berufliche Tätigkeit auf, bringt das eigene Projekt voran und wir reisen viel „zwischen den Welten“ hin und her. Selbstverständlich wollten wir täglich miteinander telefonieren. Später würde ich dann für eine begrenzte Zeit nachkommen. Thomas begann seine Arbeit im Februar 2019. Ein anspruchsvolles Projekt! Er soll den Aufbau von Strukturen bei RISA (Rwanda Information Society Authority), einer Organisation, die dem Ministerium für ICT (Innovation, Communication, Technology) angeschlossen ist, initiieren. Digitalisierung spielt dabei eine ganz besondere Rolle.
Unsere Überlegungen, an getrennten Orten zu leben und zu arbeiten, erwies sich als nicht tragfähig. Im Alltag ohne den geliebten Menschen auszukommen, war für uns beide sehr schwer und so fällten wir erneut eine weitreichende Entscheidung. Ich würde nach Ruanda kommen und im Job eine unbezahlte Freistellung beantragen. Diesmal nicht nur für 6 Monate, sondern bis zum Projektende am 31.12.2020. Anderthalb Jahre!
Es begann für mich eine Zeit intensiver Vorbereitungen:
- Haus zur Vermietung vorbereiten, d. h.
- Ausräumen, aussortieren und Sachen verstauen
- Hausschlüssel nachmachen, da unterschiedliche Parteien das Haus nutzen würden (Eltern, Freunde, Airbnb)
- Auslandskrankenversicherung abschließen
- Rentenversicherung klären
- Visum beantragen
- Möglichkeiten für die Nutzung unseres Autos bedenken
- Impfungen erneuern und anpassen
- Wichtige Berufs- und Studienabschlüssen notariell beglaubigen lassen
- Erste Besuchsreise nach Ruanda für 1 Woche im Mai planen
- Überlegungen, was ich in den 1,5 Jahren in Ruanda machen könnte und dazu Kontakte knüpfen, Institutionen anschreiben etc.
- Planung der Abschiede, Treffen mit Freunden, Familie und Kolleg*innen
All diese Dinge waren für mich sehr emotional und haben mich zeitweise an meine Grenzen gebracht. Erneut habe ich jedoch erfahren dürfen, wie unterstützend und motivierend mein soziales Umfeld, beginnend mit der Familie und den Freunden aber auch mit den neuen Kolleg*inn ist. Ich bin überaus dankbar für so viele liebe Menschen um mich herum.
Dann bin ich also mal weg. 1,5 Jahre in Ruanda!
Meine Eltern verabschieden mich persönlich am Flughafen Tegel. Meike ruft kurz vorm Check in noch einmal an und wir “drücken” uns durchs Telefon. Auch Lotti, Daggi, Gisela, Alex und viele Feund*innen melden sich kurz vorm Start. Der Abflug fällt mir immer schwerer und mein Blick verklärt sich durch Tränen.
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