Nun bin ich auf den Tag genau zwei Monate in Kigali und noch immer bin ich nicht richtig angekommen. Es ist schwieriger als erwartet, Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen oder ernst gemeinte Beschäftigungsangebote aufzutun. Das liegt aus meiner Wahrnehmung zum einen daran, dass Rwanda als DAS afrikanische Land mit dem besten Entwicklungspotential angesehen wird. Es besteht im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern extreme Sicherheit und Sauberkeit sowie große Freizügigkeit in Bezug auf Außenaktivitäten. Daher sind viele bekannte Hilfsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit, einige Privatinitiativen und etliche NGO´s bereits vor Ort. Es scheint, als ob das Land „gesättigt“ ist mit helfenden Helfern und Rat gebenden Fachkräften. Die Einheimischen scheinen keine große Begeisterung mehr aufzubringen, mit kurzzeitig und befristet in Kigali verweilenden Muzungus in (beruflichen und privaten) Kontakt zu treten. Die Kontakte bleiben daher eher oberflächlich. Ein Interesse, etwas von mir oder über mich und mein Herkunftsland erfahren zu wollen, habe ich bisher nicht wahrgenommen.
Ich trainiere mindestens einmal wöchentlich in einem lokalen Fitness-Club mit den Einheimischen unseres „Umudugudu“ (Ortsteil/Dorf). Am Eingangstresen sitzen abwechselnd stets die gleichen jungen Frauen. Wir begrüßen uns sehr freundlich und ich bemühe mich, einzelne Worte in Kinyarwanda einzubauen. Mehr passiert aber auch nicht. Keine Nachfragen zu meiner Person oder Hintergründen meines Aufenthaltes und auch kein „…lass uns doch mal nach dem Sport noch kurz zusammensitzen und quatschen.“ Schade, das hatte ich mir anders vorgestellt. Es bedarf ständigen Interesses meinerseits an meinem neuen Umfeld. Sofern ich nachfrage, wird auch bereitwillig geantwortet und berichtet. z. B. erzählt dann der Trainer von seinem Autounfall am Wochenende oder die Tresenfrau erwähnt den Geburtstag ihres Kindes. Danach ist die Unterhaltung aber auch beendet. Obwohl ich z. B. berichte, dass wir im Nyungwe Nationalpark waren, kommt keine Nachfrage, wie es uns gefallen hat oder was wir gesehen haben. Doch das fehlende Interesse liegt nicht nur an der „Übersättigung“. Die Lebensverhältnisse hier sind doch noch stark getrieben von der Basisversorgung für die Familie und dem „Überleben“. So kommen Fragen nach Freizeit, Ausflügen, Unternehmungen etc. einfach keinem in den Sinn und werden daher nicht gestellt. Übliche Fragen auch von Fremden unterwegs sind immer: „Bist du verheiratet?“ oder „Hast du Kinder?“ und dann werden alle weiteren Fragen rund um die Familie abgewickelt.
Da hier nur wenige Leute einen Job haben, ergeben sich Themen und Nachfragen zur Arbeit auch einfach nicht bzw. sie sind nicht interessant. Auch das ist ein Grund für die, durch uns oft als übergriffig empfundenen Fragen nach unserem Privatleben. Ich dagegen identifiziere mich über meine berufliche Tätigkeit, über erreichte Ziele und konkrete Ergebnisse. Ich bin enttäuscht, wenn andere diese Zusammenhänge in Meetings oder in Planungsgesprächen nicht auf- und begreifen oder würdigen. Effektivität und Effizienz sind hier keine erstrebenswerten Maßeinheiten. Wozu auch? Schließlich haben viele Einheimische nur eines zu viel, nämlich Zeit und in dieser ohnehin nichts zu tun, außer zu warten.
Bereits Mitte September hatte ich ein Vorstellungsgespräch. Kein „übliches“, wie ich es bisher selbst mit Bewerber*innen geführt habe oder wie ich mich aus meiner Berufsanfangszeit daran erinnere. Mit dem GIZ- Chef in Rwanda war ich in einem Hotelrestaurant zum Mittagessen verabredet. Ein tolles kleines Hotel mit Dachterrasse und Blick über die Dächer von Kigali.
Aus Zeitgründen verzichteten wir dann zwar aufs Essen, tranken einen Kaffee und in einem kurzen informellen fachlichen Austausch waren schnell die jeweiligen Positionen er- und geklärt. Im Großen und Ganzen ging es um die Ausgestaltung einer Assistenz der Geschäftsführung. Ein sehr lockeres und sympathisches Aufeinandertreffen. Den Job habe ich wohl, allerdings wird die Stelle formal noch nicht so schnell nachbesetzt und es braucht noch einige Zeit bis…
Was und wie sich auch immer die Dinge hier für mich entwickeln, es wird zur richtigen Zeit das Richtige sein. Davon bin ich überzeugt! Bis dahin bin ich weiterhin in ein Projekt von RISA zu „Innovate4disability“ eingebunden. Dabei lerne ich viel und kann meine fachlichen Erfahrungen sowie mein Organisationstalent gut einbringen. Schließlich möchte ich nicht irgendetwas machen, sondern auch im hiesigen Umfeld nachhaltige Ziele erreichen, Ergebnisse produzieren und Entwicklung ermöglichen! Das ist und das bleibt (vorerst) auch so!
Mittlerweile besteht auch eine realistische Chance auf eine Zusammenarbeit mit Thomas im Rahmen meines Projektes. Darauf freue ich mich, denn auch als Arbeitsteam sind wir richtig gut!