Unser Aufenthalt in Deutschland ist diesmal nicht so ganz störungsfrei verlaufen. Von ursprünglich geplanten 4,5 Wochen mussten wir krankheitsbedingt auf 9,5 Wochen verlängern und die Rückflüge nach Ruanda verschieben. Schließlich hatten wir bereits 3 Wochen in Corona-Quarantäne verbracht. Kurze Zeit danach hatte ich noch einen kurzen Aufenthalt im UKB (Unfallkrankenhaus Berlin) denn beim Abendessen erlitt ich eine ungewöhnliche, einseitige Sehstörung mit einem kurzzeitigen Komplettausfall des Sehens und nachfolgenden Doppelbildern.
Wegen einer Thrombose war ich bereits vor 1 Jahr kurz vor unserem Rückflug nach Ruanda behandelt worden, daher verunsicherten mich bzw. auch Thomas diese Symptome dann doch und er brachte mich in die Notaufnahme. Verdacht auf Schlaganfall! Zur Überwachung sollte ich in der Klinik bleiben. WAS? ICH? Schlaganfall? Was soll das? Doch so schnell konnte ich gar nicht reagieren: durch eine Flexüle im Arm wurde mir eine Infusion verabreicht, ein EKG angeschlossen und ein Monitor überwachte meine Herzkreislauf-Werte. So schnell kann es also gehen! Zwei Tage verbrachte ich auf der Notfallstation des Klinikums. TIA (Transitorische Ischämische Attacke) war dann die abschließende Diagnose aufgrund mangelnder aussagefähiger Befunde. Gott sei Dank!
Thomas selbst vervollständigte unsere Ausflüge in medizinische Notfalleinrichtungen mit einem weiteren Tagesaufenthalt im UKB. Bei ihm wurde eine virusbedingte einseitige Gleichgewichtsstörung diagnostiziert, die jedoch herzinfarktähnliche Symptome hervorrief und bei mir Alarm! Daher verbrachten wir nicht, wie geplant, einen Tag an der Ostsee in Warnemünde, sondern nutzen erneut die technische und fachliche Vielfalt des UKB. Nun sind wir beide die in kürzester Zeit best-untersuchten Patienten aber ohne bedenkenswerte Diagnosen. Alles “post-Covid-Symptome” aber hoffentlich keine “long-Covid-Erscheinungen”.
Zusätzlich zu all den ungeplanten Aktionen stand bei mir noch eine Kiefer-OP an. Um einen bereits wurzelbehandelten Zahn hatte sich eine Zyste gebildet, die gleich mit dem Zahn entfernt werden sollte. Auch das noch! Aber was sein muss, muss halt sein! Ich war nur unendlich froh, dass wir gerade in Berlin waren und ich somit eine erstklassige Diagnostik und Behandlung erfahren würde. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist nunmal mit eines der besten, auch wenn wir das nicht immer so wahrnehmen und zu schätzen wissen.
Allerdings hatte ich mir unseren “Heimaturlaub” nach fast einem Jahr so nicht vorgestellt. Diese plötzlichen Notfälle und Eingriffe hatten uns ganz schön auf Trab gehalten, inklusive der zweiten Corona Impfung mit BionTech. Viele unserer eigentlich geplanten Aktivitäten mussten wir verschieben oder sogar gänzlich streichen. Die Zeit lief uns davon. Thomas hatte offiziell 10 Tage Urlaub beantragt und die anderen Wochen im Homeoffice online gearbeitet. Daher konnten wir trotzdem noch viel Schönes unternehmen wie z. B.
- einige Freunde besuchen (auch Josy im Eisladen im Prenzl-Berg) oder neue Freunde aus Kigali in Berlin wiedersehen
- mit Thomas Geschwistern einen Tag aufm Floss über den Müggelsee, Seddinsee schippern
- den Findlingspark in Nochten mit meinen Eltern besuchen
- mit Lotti im Friedrichshain/Prenzl-Berg shoppen
- meine drei langjährigen Bamberger Studienfreundinnen in Leipzig treffen und ausgiebig quatschen
- den Thermomix gemeinsam mit Leo, Larissa und Lotti ausprobieren und ein tolles veganes Menü zaubern (lassen)
- im Friedrichshagener Open Air Kino die Reise-Dokumentation “Verplant” gemeinsam mit Lotti und Thomas anschauen
- bei strahlendem Sonnenschein mit meiner Schwiegermutter eine Berliner “Brückentour” auf der Spree machen
- mit Thomas eine 21 km Radtour um den Bärwalder See im Lausitzer Seeland-dem größten künstlichen Gewässernetz Europas- unternehmen
- bei einem Spaziergang durch Berlin City-Flair tanken und essen im “Hummus & Friends”
- E-Scooter fahren in meinem alten Kiez in Friedrichshain
- mit Lotti und Thomas eine Shakespeare Komödie im Open Air Theater am Schloss Charlottenburg geniessen
Für all diese Möglichkeiten und Treffen mit Freunden und der Familie bin ich unendlich dankbar. Wir hatten dadurch viele inhaltlich wertvolle Gespräche, die nicht nur an der Oberfläche kratzen. Das alles habe ich so sehr in Kigali vermisst und es wird mir in Kigali auch ganz schnell wieder sehr fehlen.
Hier noch ein paar Eindrücke von unserer Zeit in Berlin.
Gleichzeitig vermisse ich in Berlin die natürliche Chance zum Entschleunigen ohne schlechtes Gewissen, denn ein Termin jagt oft den nächsten. Es fällt mir wesentlich schwerer, ohne konkrete zeitliche Planung aktiv zu sein. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, die ich nutzen möchte und daher muss ich dann doch wieder planen und organisieren. Es ist ein Kreislauf, aus dem ich in Berlin nicht raus komme. Er ist erfüllend und sehr bereichernd aber auch anstrengend und Kräfte zehrend.
Daher freuen wir uns nach dieser langen Zeit in Berlin auch wieder sehr auf Kigali. Auch hier gibt es Menschen, die uns gern um sich haben und die sich freuen, dass wir wiederkommen. Die Beziehungen sind oft nicht so intensiv, doch trotzdem haben wir unterdessen die ganz eigene Freundlichkeit der Einheimischen zu schätzen gelernt. In kleinen Bemerkungen erkennen wir, dass wir auch hier willkommen sind.
In “beiden Welten” zu leben, ist für mich manchmal sehr schwer, da sie so unterschiedlich sind. Das fordert mir enorme Anpassungsbereitschaft ab, die ich mir in der Auseinandersetzung mit mir selbst hart erarbeitet muss. Doch missen möchte ich beides nicht! Daher werden wir versuchen, unsere Besuche in Deutschland regelmäßiger zu gestalten, um so die positiven Dinge aus beiden Welten gut miteinander in Verbindung zu bringen.
Kigali, wir kommen! Berlin wir bleiben dir immer treu!