Nicht nur das Jahr wird gewechselt

Pünktlich zum Jahreswechsel waren Thomas und ich ab 30.12. wieder in Kigali. Der Temperaturwechsel von um die 0°C in Deutschland auf 25°C in Kigali hatte mir kurz vor dem Jahresende einen kleinen Infekt gebracht. Doch davon wollten wir uns nicht abhalten lassen und das neue Jahr in einem Dachterrassenrestaurant mit Blick über Kigali, leckeren Cocktails und vorzüglichem Essen feiern.
Der letzte Arbeitstag für Thomas war der 31.12. danach waren 5 freie Tage geplant, da der 02.01.2020 Brückentag in Ruanda ist und sich spontan zusammenhängend freie Tage ergeben hatten. Daher wollten wir gleich am 01.01. mit dem Auto nach Uganda an den Bunyonyi See fahren, eine ca. 2- 3 Stunden Fahrt.

Am Silvestermorgen fuhr Thomas erst einmal wie üblich zur Arbeit und wurde von unserem Security-Guard darauf aufmerksam gemacht, dass wir einen platten linken Vorderreifen hätten. Nein! So ein Mist! Ich war doch am Tag zuvor noch mit dem Auto zum Einkauf unterwegs gewesen und hatte es ohne Defekte vor dem Haus wieder abgestellt. “Kein Problem!”, meinte Thomas. Er würde zeitiger von der Arbeit nach Hause kommen und dann den Reifen wechseln. Und auf jeden Fall könnten wir am nächsten Tag nach Uganda fahren. Ich schlug vor, unseren Bekannten anzurufen. Schließlich hatten wir schon einige Reparaturen und Werkstatttermine mit ihm gemanagt. Aber Thomas wollte nicht schon wieder auf fremde Hilfe angewiesen sein und so kurz vor den Silvesterfeierlichkeiten jemanden nerven. Schließlich hatte er ja auch schon mehrfach die Winterreifen an unserem Scoda in Berlin gewechselt, also alles kein Problem. Klang logisch!

Nach seinem Feierabend sollte es gleich mit dem Reifenwechsel los gehen. Doch wir mussten feststellen, dass wir gar kein Werkzeug hatten bzw. dass, was wir hatten durch eingedrungenes Regenwasser im Kofferraum verrostet und die Maulschlüsselgröße für die riesigen Schrauben zu klein war. Ich klopfte bei unserem Nachbarn und fragte nach passendem Werkzeug, schließlich hatten alle hier so einen Land Rover oder einen anderen Jeep, der ja mal repariert werden musste. Doch Fehlanzeige!
Somit musste Thomas mit dem Motorrad doch noch zur “Werkstatt unseres Vertrauens” fahren, um sich dort Werkzeug abzuholen. Zu meinem großen Entsetzen kam er jedoch mit einem schweren Hammer und einem eisernen Stemmkeil zurück. “Die Verankerung des Reserverades muss aufgemeißelt werden!”, war die Antwort in der Autowerkstatt auf die Schilderung unseres Problems. Na dann viel Spass!
Ich war schon fast ausgehfertig in feinster Abendgarderobe, doch nun stand erst einmal schweißtreibende körperliche Arbeit an, für Thomas und Alex (unser diensthabender Security-Guard) jedenfalls. Sie hämmerten 1 Stunde lang abwechselnd um die Wette, bis die riesige Schraube, mit der das Reserverad an der Heckklappe des Autos befestigt war, durchgeschlagen und das Rad abnehmbar war.

Das eigentliche Reifenwechseln ging dann natürlich fix und Thomas fuhr erneut zur Werkstatt. Dort sollte der Reifen geflickt und auch gleich noch ein ausstehender Ölwechsel gemacht werden. Unterdessen war es 18 Uhr und von Ausgehstimmung zum Jahreswechsel noch keine Spur.
Thomas kam mit der Info aus der Werkstatt zurück, man hätte kein Loch im Reifen finden können, uns hätte wahrscheinlich jemand die Luft rausgelassen. Na das wurde ja immer besser. Wie konnte das denn sein? Das Haus wurde doch täglich 24h bewacht! Ich war zuletzt mit dem Auto gefahren, ohne einen Platten zu bemerken und das hätte ich bestimmt bei diesen Straßenverhältnissen, da war ich mir sicher. Sehr merkwürdig das Ganze, aber wir fanden keine Erklärung.
Egal, nun war ja alles wieder gerichtet und auch durch die Werkstatt professionell abgesichert.
Thomas machte sich ausgehfertig. Festlich gekleidet spazierten wir 30 Minuten zur nächsten Bushaltestelle, um mit dem lokalen Bus in die Innenstadt zu fahren. Schließlich wollten wir ja auf das neue Jahr anstoßen und danach sicher nach Hause zurückkehren. Leider fuhr der uns bekannte City-Bus 203 zu dieser Zeit wohl nicht mehr und wir mussten einen Umweg bzw. eine Umfahrung mit einem anderen Bus nehmen. Der war erstaunlich voll und wir standen dicht gedrängt. Außerdem sorgten wir ein wenig für Aufregung, da mein elektronisches Bus-Ticket vorerst nur für eine Fahrkarte ausreichte. Ich hatte vergessen, die Anzahl der Reisenden beim Einsteigen in den Ticketscanner einzugeben. Nun mussten wir warten, bis die Karte erneut scannbar war. Skeptische Blicke vom Busfahrer! Im Gespräch mit einigen Mitreisenden erfuhren wir, dass viele Einheimische zur ihren Heimatgemeinden in die Kirche fuhren, um den Abend lang für ein gutes neues Jahr zu beten.
An einer uns bekannten Kreuzung stiegen wir aus, da der Bus ja eigentlich in eine ganz andere Richtung unterwegs war. Von dort mussten wir dann noch einmal 30 Minuten zu Fuß bergauf zum Restaurant laufen. Durchgeschwitzt kamen wir gegen 21:00 Uhr an dem Hotel mit der vielfach empfohlenen Dachterrasse an.
Auch ohne Reservierung ergatterten wir den letzten Tisch für zwei Personen etwas abseits des Trubels und mit Blick auf das Geschehen im Saal sowie auf die Lichter der Stadt. Wunderschön! Für 25 EUR pro Person konnten wir an einem gigantischen Buffet teilnehmen, was keine Wünsche offenließ. Dann spielte noch eine Live-Band, die wir aus “unserer” Freitags-Bar, dem 514, gut kannten. Der Sänger winkte uns zu und es fühlte sich fast an wie zu Hause. Wir kannten jemanden und waren nicht allein.
Sobald afrikanische Popsongs oder auch traditionelle Lieder erklangen, sprangen wie erwartet alle von ihren Sitzen auf, sangen und tanzten. Väter mit ihren kleinen Töchtern, kleine Gruppen junger Frauen aber auch Männer, die sich mit erstaunlichen Schrittkombinationen rhythmisch bewegen konnten. Sehr schön anzusehen! Unerwarteterweise wurden wir von unseren Tischnachbarn, einer Gruppe junger Männer und Frauen sowie einer Mutter mit ihren 3 Kindern umgehend zum Mittanzen aufgefordert. Wir ruinierten zwar die Choreografie, hatten aber trotzdem richtig Spaß!
Wenige Minuten vor Mitternacht drängten sich alle an den Rand der Dachterrasse und zückten ihre Handys. Was würde wohl passieren? Nix! “Nun sind wir im neuen Jahr angekommen!”, verkündete plötzlich der Sänger der Band. Kurzes Jubeln und Anstoßen, drei aufleuchtende Feuerwerksraketen am Himmel über dem Convention Center und…Stille! In der ganzen Stadt Stille! Keine einzige Rakete, kein Böller, kein Glockenläuten. Stille!

Ein wenig wurde noch getanzt, aber allmählich leerte sich der große Saal und auch wir bestellten ein Taxi und fuhren nach Hause.
Es war ein sehr schöner Abend. Wir hatten etwas Zeit, beim Essen das alte Jahr auszuwerten und unser Tätigsein zu reflektieren aber Ziele für das neue Jahr haben wir uns nicht gesetzt. Wir hoffen nur inständig, dass es uns und all unseren Freunden sowie der Familie auch 2020 gut gehen wird, dass alle gesund bleiben oder werden und wir uns bald alle wiedersehen.

Auf ein schönes neues Jahr!

Weihnachten in Deutschland

Endlich war es soweit! Am 20.12. sind wir mit einigem “Umsteigeaufwand” nach Deutschland geflogen. Erst der gewohnte kurzer Zwischenstopp in Entebbe (Uganda), danach Weiterflug nach Brüssel, von dort nach Frankfurt/Main und schließlich Ankunft 13:00 Uhr am 21.12. in Berlin/Tegel. Wir waren ganz schön platt aber das gemeinsame Weihnachtsfest und die Zeit mit der Familie und Freunden würde uns für vieles entschädigen. Lotti holte uns vom Flughafen ab und chauffierte uns mit unseren zwei großen, aber leeren Hartschalenkoffern (für unsere Einkäufe zum Mitnehmen nach Ruanda) zum Ostkreuz. Dort trafen wir uns gleich 14:30 Uhr im “Übereck” mit Daggi. Was für eine Wiedersehensfreude nach so langer Zeit. Zu unserer großen Überraschung kamen dann auch noch Leo und Larissa dazu. Es war die perfekte Ankunft und ein schönes und herzliches Willkommen!

Am Spätnachmittag gegen 17:00 Uhr fuhren wir mit dem Regionalzug RE 2 dann vom Ostkreuz weiter nach Cottbus, wo uns meine Eltern vom Bahnhof abholten. Auch hier war die Wiedersehensfreude riesig. Weihnachten konnte kommen!
Für uns kulturausgehungerten Fernreisende hatten meine Eltern ein Orgelkonzert in Großkmehlen an der dortigen “Silbermannorgel” ausfindig gemacht, welches wir am 22.12. zur Einstimmung in die Weihnachtszeit besuchten. Wir genossen die Atmosphäre sehr und den riesigen (echten) Weihnachtsbaum in der Kirche. Anschließend ging es zum Abendessen in “Richters Gasthof”, einen kleinen Familienbetrieb im Ort. Wir bestellten erst einmal alle eine heiße Zitrone denn an diese Temperaturen waren wir nun gar nicht mehr gewöhnt und ein Durchwärmen war dringend nötig.

Der 23.12. verlief ganz in Familientradition: der Weihnachtsbaum musste aufgestellt und geschmückt werden. Das ist alljährlich meine Aufgabe gemeinsam mit meinem Väterchen und dabei gibt es ausnahmsweise auch schon mal zu einer eher ungewöhnlichen Tageszeit ein Glas Rotwein. Die Kreativität soll schließlich fließen! Das tat sie dann auch, denn wir dekorierten erstmalig in Weiß und verzichteten auf das traditionelle Rot am Weihnachtsbaum. Ein weißer Baum war nach vielen Jahren des traditionellen Schmückens der große Wunsch meiner Mutsch und den wollten wir unbedingt erfüllen. Die Schleifen, Kugeln und Porzellananhänger hatten Thomas und ich am Vortag noch schnell durch glückliche Umstände besorgen können. Überraschung gelungen! Festlicher Glanz ganz in weiß! Weihnachten konnte kommen!

Auch die weiteren Fest- und Feiertage mit Alt, Jung und ganz Jung waren sehr harmonisch. Es gab wie erwartet leckeres Essen, selbst gebackene Plätzchen und vorzüglichen Mohnstollen. Nach dem Probieren von mindestens 5 verschiedenen Whiskysorten am Abend war das Stellen von Detektiv-Fragen zu “Black Stories” nach Kriminalfällen von Sebastian Fitzek nicht mehr so einfach aber doch noch machbar.

Leider waren die schönen Tage viel zu schnell vorbei. Thomas reiste am 26.12. mit der Jugend bereits nach Berlin zurück, da er noch einen Kontrolltermin im Klinikum Buch ergattert hatte. Ich fuhr mit dem RE 2 am 28.12. nach, denn mir hatte der Weihnachtsmann einen Firseur- und Kosmetikgutschein für den 27.12. unter den Weihnachtsbaum gelegt. Perfekte Planung lieber Weihnachtsmann, danke!

Auf den 28.12. in Berlin hatten wir uns auch schon ganz lange und ganz besonders gefreut: das Wiedersehen mit Meike, Jens und unseren Patenzwillingen Lene und Jara!

Wir hatten leider nur diesen einen gemeinsamen Tag mit Frühstück, kurzem Spaziergang im Kreuzberger Kiez, Wein und Oliven am Abend. Es war schön, wie immer! Meike und Jens hatten extra ihre Abreise in den Silvesterurlaub nach Zingst um 3 Tage verschoben, so dass wir uns so kurz vor unserem Rückflug nach Kigali am 29.12. doch noch treffen und quatschen konnten. Danke!

Wir haben die kurze Zeit mit allen sehr genossen und der Abschied war für uns erneut schwer.

Königspalast

Am 3. Adventwochenende fuhren wir nach Nyanza und Huye. Beide Orte waren in früheren Jahren ebenfalls eine Zeit lang Hauptstadt des Königreiches Rwanda. Dieses wurde im 14. Jahrhundert gegründet. In einem Volksentscheid 1961 entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Einwohner für die Abschaffung des Königreiches und für die Gründung einer Republik. Nach Deutscher Kolonialherrschaft von 1884 bis 1916 wurde Rwanda als Teil Deutsch-Ostafrikas 1923 in Belgische Verwaltung übergeben (Neuverteilung der Kolonialgebiete nach dem 1. Weltkrieg) und erhielt erst 1962 die Unabhängigkeit.

Somit ist die königliche Geschichte des Landes gar nicht so alt. Bis 1931 regierte Yuhi Musinga mit einer stattlichen Körpergröße von über 2 Metern in Nyanza und lebte dort in einem der traditionellen afrikanischen Königspaläste. Er wurde jedoch durch die belgische Kolonialmacht ins Exil verbannt und sein Sohn, Mutare III, statt dessen eingesetzt.

Das historische Gelände kann man besuchen, jedoch sind die zu besichtigenden Gebäude lediglich Nachbauten. Trotzdem zeigen sie eindrücklich das Leben des Königs. Ohne Prunk und Reichtümer führte er ein privilegiertes, aber auch einfaches Leben. Die Tradition besagt, dass der König generell mit allen Rwandaerinnen verheiratet ist. Offiziell gab es jedoch nur eine rechtmäßige Königin an seiner Seite, die mit ihm im Königspalast lebte. Mit ihr regierte der König jedoch nicht. Häufig war die Mutter des Königs inoffizielle Mitregentin und eine einflussreiche Persönlichkeit. Das erklärt sich mit der Wahl des Königs. Er wurde von einer Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten der Region ausgewählt. Diese Personen kannten alle Kinder des Königs sehr gut und konnten so entscheiden, welches der Königskinder die besten Eigenschaften hatte und die vielversprechendste Entwicklung nehmen würde. Somit musste nicht zwangsläufig der erstgeborene, älteste Sohn die königliche Nachfolge antreten. Jüngere Söhne wurden dann bei ihrer Wahl zum König in der Ausübung des Amtes von ihrer Mutter unterstützt, die auch nach Heirat des Sohnes weiter mit ihm regierte.

Der Königspalast diente als Empfangsgebäude für Audienzen. Davor befand sich ein großer leerer Platz ohne Überdachung zum Schutz vor Regen oder Sonne für die Wartenden. Erstaunlich! Es gab doch schließlich auch früher schon Regen- und Trockenzeiten, vielleicht nicht unbedingt in diesem klimawandelbedingten Ausmaß. Lediglich der König saß geschützt im Eingangsbereich des Palastes und empfing auf einer kleinen Terrasse nacheinander die angereisten Personen. Für längere Gespräche wurde in das Innere der königlichen Palasthütte eingeladen. Dort befand sich auch eine Feuerstelle, die jedoch nicht zum Kochen sondern ausschließlich zum Heizen an “kühleren Tagen” genutzt wurde. Schließlich waren der Fußboden und die Wände nicht isoliert und es gab auch keine Fenster sondern lediglich einen offenen Eingangsbereich. So belüftete die dauerhaft durchziehende Luft die großen Räume des Palastes.
Weitere Bambushütten z. B. für das königliche Personal aber auch für den Nachwuchs befanden sich ausschließlich hinter dem Palast. Es gab beispielsweise eine Jungfrau, die sich um die Milchversorgung und -lagerung zu kümmern hatte und einen unverheirateten jungen Mann, der sich dem königlichen Bier(brauen) widmete. Beiden stand dafür eine eigene Hütte zur Verfügung und sie wurden durch die Gemeinschaft für dieses Amt ausgesucht.
Lediglich die Königin hielt sich also mit dem König im Palast auf und beide teilten dort ein gemeinsames Schlafzimmer.

Bei Empfängen durften die begleitenden Ehefrauen der um Audienz ersuchenden Männer den Königspalast betreten, mussten sich jedoch in einem hinter leichten Bambuswänden abgegrenzten separaten Raum aufhalten. So waren sie bei den politischen Gesprächen o.ä. anwesend und trotzdem nicht
dabei. Dadurch konnten sie aber ihren Einfluss auf Entscheidungen im Nachhinein versuchen auszuüben, da ihnen die Gesprächsinhalte ja bekannt waren.

Nach der Palastbesichtigung, auf der wir durch einen studierten Soziologen und Anthropologen mit historischen Inhalten versorgt wurden, ging es hinter dem Palast weiter zu den “königlichen Kühen”. Die besondere Rasse brauner Inyambo Rinder mit den sehr ausschweifenden und furchteinflößenden Hörnern wird
hier nach wie vor gezüchtet. Sie ist nicht heilig. Allerdings gibt es bis heute einen Kuhfriedhof hinter dem alten Palast, auf dem die verstorbenen königlichen Kühe beerdigt werden.

Anschließend sind wir zum neuen Königspalast gefahren. Er liegt auf der anderen Seite des Ortes auf einem weiteren der “1000 Rwandischen Hügel”, ist keinesfalls prunk- oder eindrucksvoll, aber man hat einen gigantischen Blick über die Region Nyanza.

Die Region Nyanza/Huye ist ca. 3-4 Autostunden von Kigali entfernt, daher hatten wir uns für eine Übernachtung in einer sehr schönen kleinen Appartement-Anlage etwas ausserhalb von Huye entschieden. Am nächsten Tag entdeckten wir das „Aboretum”, eine verhältnismäßig große Baumanpflanzung von unterschiedlichen Nadel- und Laubbäumen mit vielen kleine angelegten Wald- und Wanderwegen. Dort konnten wir einen kleinen Spaziergang im Gelände machen und traditionelle „Wickelbienenstöcke“ sowie die stark duftende Eukalyptus-Bäume sehen.

Ein unbedingtes “Must-see” ist die Kaffeerösterei in Huye. Eingerichtet wie ein großes Wohnzimmer, mit einer “Wasch- und einer Packecke”, versinkt man in tiefen weichen Sesseln und kann eine Tasse frisch gemahlenen Kaffee genießen. Der in Rwanda sehr beliebten Huye-Kaffe ist sehr mild und gut bekömmlich. Einige Tüten haben wir auch gleich als Weihnachtsgeschenke für Freunde und Familie mitgenommen. Auf der Rückfahrt duftete es im Auto ganz wunderbar nach dem Kaffee.

Preisverleihung

Im Oktober hatte ich schon vom “Hackathon” zum Thema
Innovate4Disability/Incusion berichtet. Nun hat es einige Monate gedauert, um neue Fördergelder bewilligt zu bekommen und vor zwei Tagen folgte dann die Fortsetzung mit einer Preisverleihung für die 5 besten Innovationen zur Erleichterung des Alltags für Menschen mit Behinderung.
11 Teams waren bereits im Oktober aus 21 Startteams gewählt und in diese Endrunde gekommen. Sie wurden nun erneut einen Tag vorbereitet, um vor 150 geladenen Gästen und 2 Ministerinnen sowie zahlreichen Geschäftsführern unterschiedlicher staatlicher Institutionen ihre Idee (Innovation) zu präsentieren. Was für eine Herausforderung und Chance! Viele der Männer und Frauen der teilnehmenden Teams kommen ursprünglich aus ländlichen Regionen um Kigali, sprechen teilweise kein oder kaum englisch und haben aus eigener Betroffenheit in ihrem sozialen Umfeld heraus Ideen zur Verbesserung der Situation für Menschen mit Behinderung entwickelt. Für sie ist eine Veranstaltung dieses Ausmaßes eine wahnsinnige Wertschätzung, besonders durch die Teilnahme der Ministerinnen und durch die Wahl des Veranstaltungsortes.

Die Vorbereitung für dieses große Event, was in einem
4-Sterne-Konferenzhotel in Kigali stattfand, war wieder
rwandisch-chaotisch. Die Einladungen wurden erst wenige Tage vor dem Ereignis an die Teilnehmenden versandt. Dafür wurden dann aber auch alle zur Verfügung stehenden Kanäle und sozialen Medien genutzt und ich konnte einen regen Chat in den diversen Gruppen mitverfolgen, ohne immer genau zu verstehen, worum es eigentlich ging. Auf meine Nachfrage an die Organisatorin, welche konkreten Erwartungen denn an mich gestellt würden (ich war ja schließlich auch im Verteiler), wurde mir mitgeteilt, ich sei eines von 5 Jury-Mitgliedern, die die Prämierung vornehmen bzw. die Kandidaten bewerten würden. OK! Braucht es dafür nicht auch ein wenig Vorbereitung? Welche Kategorien sind für die Bewertung relevant? Gibt es noch weitere Faktoren, die berücksichtigt werden sollten wie z B. Gender o.ä.? Ich sagte meine Teilnahme jedoch zu und hoffte auf ein Briefing vor der Veranstaltung. Dass es dazu nicht kam, brauche ich hier eigentlich nicht zu erwähnen. So hatte ich es leider befürchtet. Gemeinsam mit den anderen
Jury-Mitgliedern, bestehend aus je einem männlichen Vertreter der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) , NIRDA (National Industrial Research & Development Agency), NCPD (National Council for People with Disability) und RISA (Rwanda Information Society Authority) mussten wir erneut ein wenig improvisieren. Ich war also die “Quotenfrau” und wurde als Gastjurorin und Expertin für Disability/Inclusion aus Deutschland vorgestellt. Was für eine gigantische Einführung meiner Person in diese nationale Spezialistenrunde.

Das Interesse am Thema schien groß zu sein denn der Saal war nicht nur gut gefüllt mit geladenen Autoritäten, hochstehenden Persönlichkeiten und einflussreichen Managern. Erstaunlicherweise waren auch viele Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen durch die Einladungen ihrer entsprechenden sozialen Institution anwesend. Es standen 3 Gebärdendolmetscher zur Verfügung und an drei riesigen Leinwänden konnte man aus jeder Sitzposition die Power-Point-Präsentationen der Teams optisch ansprechend verfolgen. Auch Mikrophone standen zur Verfügung, so dass Fragen und Anmerkungen gut verständlich kommuniziert werden konnten. Alle Tische waren nett eingedeckt und mit Getränken sowie Notizblöcken und Kugelschreibern ausgestattet. Eine unerwartete gute Vorbereitung durch das Hotel, weniger durch den Veranstalter.
Mit einer Stunde Verspätung wurde die Veranstaltung durch einen MC (Master of Ceremonie = Moderatorin) eröffnet. Der MC war Solange, eine von Thomas sehr geschätzte Kollegin von RISA. Sie war genau drei Stunden vor Veranstaltungsbeginn angefragt worden, die Moderation zu übernehmen. Daher war sie mega aufgeregt, was ich nur allzu gut nachvollziehen konnte. Auch die Bewertungsbögen zur Einschätzung der Teams standen nicht in ausreichender Zahl für uns Juroren zur Verfügung. Somit veranlasste ich erst einmal an der Hotel-Rezeption das Ausdrucken weiterer 35 Kopien für 6 EUR. Schließlich musste Transparenz sichergestellt werden, da es ja um die Verwendung von UNICEF-Fördergeldern ging.
Nach der offiziellen Eröffnung folgten die üblichen Begrüßungsreden durch den Geschäftsführer der durchführenden Organisation (RISA) und der finanzierenden Ministerien (Ministerium für Jugend und Kultur sowie Ministerium für Information, Kommunikation, Technology und Innovation). Zur Auflockerung und zur Betonung des Themas der Veranstaltung “The world is accessible!” gab es eine beeindruckende Darbietung durch eine Tanzgruppe, deren Mitglieder alle taub-stumm sind.

Anschließend starteten wir umgehend mit den 11 Präsentationen der einzelnen Innovationsteams, wobei jedes Team nur 5 Minuten zur Verfügung hatte. Ich musste mich sehr konzentrieren, um den Inhalten in dieser Geschwindigkeit folgen und meine Einschätzung auf dem vorbereiteten Bewertungsbogen in 5 Kategorien abgeben zu können. Im Gedächtnis geblieben sind mir folgende “Innovationen”:

1. ein SMS-System für ländliche Gegenden zur Meldung der tatsächlichen Bedürfnisse behinderter Menschen vor Ort an staatliche Institutionen, die dann die Hilfen einleiten und koordinieren
2. ein faltbarer, leichter Rollstuhl, wobei das Team noch an dessen Geländegängigkeit arbeiten muss
3. ein Informationssystem für den “öffentlichen Nahverkehr” mit GPS und Sprachansage in den Bussen für Blinde und Taubstumme
4. ein Blindenstock, der Hindernisse auf dem Weg benennt und bei anbrechender Dunkelheit zu vibrieren beginnt (Sicherheitsfeature) 5. ein Armband, welches mit GPS versehen und an eine Sprach-App. gekoppelt ist und daher blinde Menschen sicher leitet
6. eine Brille, die geschriebene Schrift für blinde Menschen in Lautsprache übersetzt, so dass keine speziellen Braille-Bücher mehr erstellt werden müssten, sondern jeder schriftliche Beitrag gelesen werden kann. Außerdem scannt und erkennt diese Brille auch Hindernisse auf dem Weg und sagt diese in entsprechender Entfernung an.
7. eine Foto-App., die Gebärdensprache in Lautsprache übersetzt

Einige dieser Innovationen waren noch im Ideenstatus, aber einige hatten sogar schon einen Prototype, der vorgestellt werden konnten. Ich war beeindruckt!
Am Ende aller erfolgreichen Präsentationen hatten wir als Jury für die Auswertung unserer Team-Bewertungen in 5 Kategorien und für die Auswahl der 5 besten Teams nur 20 Minuten Zeit. Daher begann ein hektisches Auszählen von Punkten durch jedes einzelne Jury-Mitglied und für jedes einzelne Team. Danach wurden alle vergebenen Einzelpunkte in eine Tabelle den teilnehmenden Teams zugeordnet und erneut zusammengezählt. Das eigentliche “Ranking” fand dann auf Kinyarwanda statt, da natürlich noch nationale Besonderheiten, Genderperspektiven, Anforderungen im Zusammenhang mit den Fördergeldern etc. berücksichtigt werden mussten. Schlussendlich gab es aber eine abgestimmte Rangfolge für die besten 5 Teams, an die ich mich leider nicht erinnere. Zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Jedes Gewinner-Team bekam einen Geld-Check in gestaffelter Höhe überreicht. Maximales Prämiengeld waren 200.000 RF = 200 EUR. Das ist hier sehr viel Geld, welches durch die Teams zur Weiterentwicklung ihrer Idee oder ihres Prototyps eingesetzt werden muss und nur nach Projektfortschritt ausgezahlt wird.

Diesen Prozess der Weiterentwicklung werde ich vermutlich auch begleiten. Einen (Zeit) Plan dafür gibt es selbstverständlich noch nicht, aber ich werde bestimmt “rechtzeitig” informiert und kann dann wieder berichten. Spätestens dann kann und werde ich auch die Gewinner der Preisverleihung noch konkret benennen können.

Trotz des organisatorischen Chaos war es eine gelungene und repräsentable Veranstaltung, über die auch im nationalen Funk- und Fernsehen berichtet werden wird. Die Idee des “Hackathon” ist genial und bezieht viele Betroffene, Interessierte, Wissende und Verantwortliche auf
unterschiedlichen Hierarchie- und Funktionsebenen ein. Das in Deutschland unterdessen so unbeliebte Thema “Inklusion” wird mit einer unkomplizierten Selbstverständlichkeit auf den Weg gebracht.
Kurz erwähnen möchte ich noch das Langzeitprojekt des “digitalen Umuganda”, welches parallel zu den kleineren Veranstaltungen zum Thema “Inklusion” ins Leben gerufen wurde. D. h. die monatlich für alle Rwandaer verpflichtenden Treffen in den Gemeinden und Dörfern sollen zukünftig dazu genutzt werden, um Sprachdaten in Kinyarwanda aufzunehmen, die dann bei der Rwandischen Ausgabe von “SIRI” verarbeitet werden. So soll sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen über das sprachliche Abrufen von Informationen auf hilfreiche Veranstaltungen, Unterstützungsmaßnahmen, Finanzdienstleister etc. zugreifen können. In kleinen Schritten geht es in Afrika voran!

Plätzchen aus Kindertagen

Nachdem wir bereits einmal Plätzchen mit Freunden gebacken hatten und beide Rezepte Thomas Lieblingsrezepte aus Kindertagen waren, mussten selbstverständlich auch noch meine Lieblingsplätzchen gebacken werden: Doppeldecker mit Marmelade gefüllt und Schokoladentaler.
Diesmal hatten wir zwei Kolleginnen von Thomas, Elisabeth und Maurice, mit ihren 5-jährigen Töchtern eingeladen. Außerdem hatte ich Tina Bescheid gesagt. Die 25-jährige junge Frau lernte Lotti bei ihrem Besuch bei uns im Oktober auf der 3-tägigen “Youth-Connect” im Convention Center kennen und seither haben wir den Kontakt zu ihr gehalten.
Thomas hatte seinen Kolleginnen 14:00 Uhr als Startzeit mitgeteilt, damit wir dann nach unseren Vorstellungen gegen 15:00 Uhr mit dem Backen beginnen können würden. Er plante also mit rwandischem Zeitverständnis. Tina hatte ich dagegen für 15:00 Uhr eingeladen. Sie kam auch pünktlich, während die anderen beiden erst 15:30 Uhr und 16:00 Uhr ankamen. Mit 1,5 bis 2 Stunden Verspätung aber nach unserer Planung gerade noch richtig 🙂 Tina meinte, sie würde gern erst einmal etwas essen wollten, da sie gerade aus der Kirche käme. OK! Also tauten wir “German Multigrain” Brot auf, schnitten Käse und Tomaten auf und “servierten” eine Deutsche Brotzeit. Ach ja, einen Joghurt würde sie auch noch haben wollten, den hätte sie im
Kühlschrank gesehen. Und ich sollte doch bitte ein Foto machen, wie sie Brot und Käse esse. Na dann, nicht leichter als das! Tina schien die ungewöhnliche Mahlzeit auch tatsächlich zu geniessen. Die Kids bekamen heißen Kakao und später Cola. Damit war für sie der Nachmittag schon perfekt und das Kommen hatte
sich gelohnt. Der Hit für sie war jedoch unser Räuchermännchen. Ehrfürchtig beobachteten sie, wie der Rauch aus dem kleinen runden Mund aufstieg und den Fusselbart schwarz färbte.

Vier unterschiedliche Teige hatten wir vorbereitet, da im Vorfeld alle bekundet hatten, wie gern und oft sie backen würden. Das Interesse liess
jedoch nach nur wenigen Minuten rapide nach und so verarbeiteten wir nur zwei Teige. Elisabeth verschwand ausserdem erst einmal für ca. 1 Stunde für eine Geldübergabe an einen Bekannten o.ä. Wir versuchten indes die Kinder zum Ausstechen der Plätzchen zu motivieren, obwohl sie nur französisch verstanden und gar nicht wussten, was hier geschah. Tina unterstützte uns tatkräftig, war aber kommunikativ keine Hilfe. Der Gasherd kam dann auch noch erschwerend als kleines Hindernis hinzu, da wir die Temperatur einfach nicht regeln konnten, d. h. Ober- und Unterhitze an oder eben aus! Trotzdem sind einige Plätzchen sehr gut
gelungen (die verbrannten haben wir gleich entsorgt) und das Dekorieren lief dann etwas besser. Das Bestreichen mit Kuvertüre, Bestreuen mit Nüssen, Krokant, Mandeln, bunten Streuseln und Deko-Kügelchen machte den Kindern und auch den Müttern viel Spaß. Selbstverständlich mussten die Plätzchen noch trocknen, bevor wir jeder anwesenden Partei Kostproben zum Mitnehmen einpacken konnten.

In der Zwischenzeit saßen wir alle draußen auf unserer Terrasse, tranken Wein und quatschten. Für Tina schien es schwer zu sein, mit uns ins Gespräch zu kommen und die anderen mussten aufpassen, nicht in dienstliche Themen abzugleiten. Aber es lief ganz gut. Die vielen Kerzen und die beiden Lichterketten an den Fenstern machten das Ambiente gemütlich und so verging die Zeit. Erst 20:00 Uhr brachen alle wieder auf und versicherten,
es wäre ein toller Nachmittag und Abend gewesen. Auch wir waren davon überzeugt, konnten wir doch ein wenig deutsche
Weihnachtstradition vermitteln und berichten, wie wir uns zu Hause auf das Fest vorbereiten und die Feiertage verbringen. Maurice meinte sogar, sie würde gern das Plätzchenbacken in ihre Tradition aufnehmen denn es sei eine schöne Möglichkeit, mit den Kindern Weihnachten vorzubereiten und eine schöne Stimmung zu verbreiten. Ja! Genau! Darum geht es! Gemeinsam in Weihnachtsstimmung zu kommen, gemütlich zusammenzusitzen und Zeit miteinander zu verbringen! Mission erfüllt!