Weihnachtsmarkt

In Deutschland habe ich nur noch verständnislos den Kopf geschüttelt, sobald Anfang November die ersten Weihnachtssüßigkeiten, Lebkuchen, Spekulatius und Glühweinflaschen in den Regalen der Supermärkte standen. Daher war ich mehr als erstaunt, als wir im Oktober eine förmliche Einladung vom Direktor der GIZ Rwanda für den German Christmas Market auch bereits für den 16./17.11. erhielten. Der deutsche Botschafter würde 10:00 Uhr offiziell den Weihnachtsmarkt eröffnen. Man wolle der Deutschen Community in bewährter Tradition die Möglichkeit zum vorweihnachtlichen Beisammensein, zum Austausch und Kennenlernen hier vor Ort in Kigali geben. 67 verschiedene Akteure hätten sich angemeldet und seine für die Ausgestaltung des Marktes engagiert.
Wir hatten uns daher am 16.11. mit Freunden verabredet, die ebenfalls Freunde eingeladen hatten und gemeinsam wollten wir uns in vorweihnachtliche Stimmung versetzen. Das würde, unabhängig vom frühzeitigen Datum,  schwer werden, da es an diesem Samstag für die Regenzeit mal wieder ausgesprochen sonnig war und wir bei Temperaturen von 25°C schwitzten.
Etwas verunsichert, ob die Eröffnung nun 10:00 Uhr afrikanischer Zeit oder deutscher Zeit und damit relativ pünktlich beginnen würde, entschieden wir uns für letztere Variante und kamen gerade rechtzeitig zum Beginn der offiziellen Redebeiträge auf dem Veranstaltungsgelände an. Uns blieb fast die Luft weg, denn beim Betreten des Festplatzes spielte eine Laienkapelle “Stille Nacht, heilige Nacht”. Das konnte doch unmöglich wahr sein! Mitte November unter diesen Voraussetzungen DAS Lied der Weihnachtszeit zu hören, war für mich vollkommen absurd. Es war einfach der falsche Zeitpunkt! Es fehlte die Familie, die passende Atmosphäre, die Besinnlich- und Gemütlichkeit und das gedanklich darauf Vorbereitetsein. Das Ambiente, was uns stattdessen begegnete, war grotesk und hatte mit meinen Vorstellungen von deutscher Weihnachtstraditionen gar nichts zu tun. Tief durchatmen, um aufkommenden Ärger zu unterdrücken:

In der Mitte eines kahlen Schulhofes stand ein großes weißes Zelt ohne ansprechende Weihnachtsdekoration. Darunter stand die kleine Laienkapelle und spielte ihr Repertoire. Links des Zeltes war ein Essensbereich organisiert mit ebenfalls undekorierten Ständen, die Glühwein, Kaffee, Kaltgetränke, Gebäck, Bratwurst und traditionelle afrikanische Küche präsentierten. Rechts des weißen Zeltes und auch davor reihten sich zahlreiche Stände mit afrikanischem Kunsthandwerk, was an die anwesende zahlungskräftige Deutsche Community verkauft werden sollte. Ein kostümierter Weihnachtsmann lief über das Gelände und wünschte jetzt schon allen “Merry Christmas!”. Es war zum Heulen und dabei bedeutet mir Weihnachten so viel!

Ich war mehr als enttäuscht! Nichts deutete auf diesem Markt auch nur ansatzweise auf die schöne und vielfältige deutsche Weihnachtstradition hin mit gebrannten Mandeln, Nüssen, gebackenen Äpfeln, sternenförmigen Plätzchen, einer Krippen-Figurengruppe, vielen Kerzen(attrappen) oder einer winterlichen Deko bestehend z. B. aus einem Holzschlitten, einem alten paar Schlittschuhen sowie künstlichen Schneeflocken und Eiszapfen.  Einige Winter- und Volkslieder hätten als leise Hintergrundmusik die Stimmung ebenfalls  enorm unterstützt. Auch über einen kleinen künstlichen Weihnachtsbaum oder aber eine festlich geschmückte natürliche Zypresse hätte ich mich sehr gefreut. Dagegen konnte man auf ein wärmendes Feuer selbstverständlich aufgrund der Außentemperaturen gut verzichten. Man muss nicht alles haben!

Künstliche Glitzer- und Leuchtketten in jeder Form und Farbe aber auch Papierketten und Dekokränze sind hier übrigens sehr beliebt und zahlreich vorhanden, da es auch eine große Asiatische Community gibt.

Zu zeigen, wie gemütlich wir in Deutschland feiern, dass Gemeinschaft, Licht und Wärme sowie Teilen eine besonders wichtige Rolle in dieser Zeit spielen, kam leider für Außenstehende gar nicht zum Ausdruck.

Da der Weihnachtsmarkt unter der Schirmherrschaft der GIZ stattfand, wären einige diese kleinen Gestaltungsoptionen mit etwas mehr Liebe zum Detail in der Vorbereitung durchaus machbar, finanzierbar und nachhaltig für Folgejahre nutzbar gewesen. Es war stattdessen ein Handwerkermarkt, der zum Ziel hatte, den in wenigen Wochen in die Heimat reisenden Deutschen noch einige Weihnachtsgeschenke mit auf den Weg zu geben. Auch unsere einheimischen Bekannten waren ernüchtert, so wenig deutsche Tradition gezeigt zu bekommen.

Trotzdem hatten wir Spaß, aßen eine Art Stolle, die Männer tranken einen selbst zubereiteten Glühwein, der sehr gut war und der uns ein wenig mit der Situation versöhnte. Nach zwei Stunden verabschiedeten wir uns voneinander. Selbstverständlich mit ein paar Weihnachtsgeschenken im Gepäck. Der Ansatz des German Christmas Market war also auch bei uns aufgegangen. Na dann, “Merry Christmas!”

Schmuckstück

Den letzten Tag für Unternehmungen wollten wir nicht nur gemeinsam mit Shriya sondern auch mit Manju, der Schwester Ravis verbringen. Sie war seit ein paar Tagen schon ganz traurig und “beschwerte” sich bei Shriya, weshalb sie nicht auch mit uns etwas unternehmen könne. Somit boten wir an, die beiden Mütter mit ihren Babys nach Sangola auf einen Mango-Mastani einzuladen und anschließend alle Aktivitäten zu unterstützen, die sie gern noch in der Stadt machen wollten.
Gegen Mittag könnten wir wohl aufbrechen, meinte Shriya, da dann das Kochen für das schwiegerelterliche Mittagessen abgeschlossen sei. Bis dahin wollten Thomas und ich noch einmal die Lehrer in der Schule besuchen. 12 Uhr sollte uns dann unser Mietwagenfahrer mit den beiden Frauen und den Babys von dort abholen. Wir hatten jedoch vergessen, dass die beiden als angeheiratete Frauen das Dorf und damit die Schule nicht betreten dürfen. So wurden wir separat von unserem Fahrer abgeholt und erst einmal zur Farm zurück gebracht. Von dort ging es dann erneut mit allen im Auto zurück ins Dorf und weiter nach Sangola.

Der Arbeits-Sari war gegen den Ausgeh-Sari eingetauscht, die Haare glänzten in der Sonne und waren geflochten sowie mit Spangen zusammengesteckt. Shriya und Manju waren geschminkt, goldgeschmückt und hielten ihre ebenso ausgehfertig gekleideten Babys im Arm. Beide waren fast nicht wiederzuerkennen! Dagegen sahen nun Thomas und ich etwas unpassend gekleidet aus. Wir hatten unsere goldbestickte Ausgehgarderobe zu Hause gelassen. Allerdings hatte ich ein im letzten Jahr gekauftes indisches Kleid an und passe somit doch ganz gut zu der kleinen Frauenrunde.

Bevor es jedoch zum Eisessen in die Stadt gehen würde, stand ein kleines Ritual für das Neugeborene auf dem Plan: der Kauf von goldenen Ohrringen sowie das Stechen der Ohrlöcher für die 4-wochen-alte Sahi. Wir erfuhren, dass jeder Säugling- unabhängig davon ob Junge oder Mädchen- traditionell nach der Geburt goldene Ohrringe bekommt. Diesen sind meist religiöse Motive hinterlegt und selbst kleinste Ringe für Babies schauen aus wie winzige Imitate historischer Schmuckstücke. Dazu kommen dann noch die Fußschellen oder -ringe, ebenfalls mit traditionellen Motiven bestückt. Das leichte Klingeln und Klirren des Fußschmuckes soll die Aufmerksamkeit der Gottheiten wecken und böse Geister verscheuchen.

Während ich den schlafenden Ohm auf den Armen hielt, suchten Shriya und Manju die Ohrringe aus. Wir brauchten nur zwei Läden, bis die passende Größe und Form gefunden und die Ohrlöcher gestochen waren. Erstaunlicherweise kam kein einziger Laut von der kleinen Sahi. Dabei hatte ich mich schon auf ein ohrenbe-täubendes Geschrei eingestellt. Aus eigener Erfahrung war mir das Ohrlochstechen nicht in so guter Erinnerung aber “…wer schön sein will, muss leiden!” . Manju war aufgeregter und erschrockener als ihre kleine Tochter und so managte Shriya den Ablauf.

Anschließend war dann zur Belohnung für alle “Mango-Mastani-Zeit”. Gestärkt ging es weiter zum Shoppen. Shriya wollte für sich einen neuen Festtags-Sari, den sie gleich zur Hochzeit von Shripad (Sohn des Bruders ihres Schwiegervaters) im Dezember tragen würde. Die Suche dauerte etwas länger und so kam ich mit den Shop-Besitzern ein wenig ins Gespräch. Wieso ich überhaupt hier wäre, weshalb ich ein indisches Kind auf dem Arm hätte, wo meine Familie sei und noch viele tausend andere Fragen wurden mir gestellt. Um mich herum scharte sich eine kleine Gruppe und hörte gespannt auf meine Antworten. Zum Abschied wurde ein gemeinsames Fotos gemacht.

Da zeigte sich ein großer Unterschied zwischen den Kulturen. In Indien wird man als Fremde sofort freundlich angesprochen, angelächelt, neugierig ausgefragt und bekommt sehr oft sogar noch einen Tee angeboten. Das ist uns allerdings manchmal auch ein wenig zu viel des Guten, so vereinnahmt zu werden. In Rwanda begegnet einem dagegen überwiegend strenge manchmal auch freundliche Skepsis und vornehme Zurückgezogenheit. So sehen sich die Einheimischen übrigens auch selbst und bezeichnen sich sogar als “untypische Afrikaner”. Von einer überschwänglichen Offenheit ist keine Spur.

Ich möchte nicht generalisieren denn immerhin hatten wir schon einzelne sehr, sehr nette Begegnungen. Z. B. erinnere ich mich gern an die unerwarteten Familienfeier bei Solange anlässlich ihrer Überraschungsgeburtstagsfeier oder auch an den Besuch im “514” mit Musik und Tanz sowie dem Live-Auftritt von Lotti. Beides unvergesslich! Es gibt also Ausnahmen! Man muss sie nur (auf)suchen und teilweise selbst mit initiieren.

vom Lehrer zum Farmer

Vom Stammpersonal der Dnyanankur English Medium School sind 4 Lehrer nicht
mehr dabei. Drei dieser vier Lehrer haben wir kurz auf ihren Farmen besucht. Zwei haben sich komplett aus dem Schulalltag zurückgezogen und widmen sich ausschließlich ihren Granatapfelplantagen. Diese laufen bei allen richtig gut und das Einkommen ist um ein Vielfaches höher als im Lehrerdienst. Jedoch besteht auch ein hohes Ernteausfallrisiko aufgrund der in manchen Jahren ausbleibenden Regenzeit oder durch die Verschiebung der Regenzeit, die dann aber nicht mehr zum landwirtschaftlichen Ablauf mit Pflanz- und Erntezeit passt. Auf jeden Fall ist es sehr schade für die Schüler, denn als Lehrer waren die Männer wirklich passioniert und ganz wundervoll im Umgang mit den Kindern.

Pravin wird allerdings als Lehrer bald in den Staatsdienst nach Mumbay wechseln. Er hat vor 10 Jahren sein Lehrer-Studium abgeschlossen und die ganze Zeit daraufhin gearbeitet, endlich eine Festanstellung ohne Risiko und mit gutem Verdienst antreten zu können. Nun ist es soweit und im kommenden Schuljahr beginnt er seine Tätigkeit. Er muss sich dann in Mumbay eine Wohnung bzw. ein Zimmer nehmen und die Fahrt nach Sangola dauert vermutlich 10 Stunden mit dem Zug, wobei er in Pune umsteigen muss. Oh je!
Dieses Schuljahr hatte Pravin Unterricht für die 11. Klassen in Physik gegeben. Ich habe nur mal kurz einen Blick in das Schulbuch geworfen und nur kryptische Formeln gesehen. Da braucht man definitiv auch einige Gehirnwindungen mehr! Somit kann ich gut verstehen, dass Pravin nicht “nur” seine Familienfarm bewirt-schaften will. Allerding ist seine junge Frau gerade schwanger und die Farm wächst und gedeiht. Das wird also eine enorme Herausforderung für Pravins Eltern. Ausnahmsweise ist diese Familie keine Großfamilie und wird sich daher in der nächsten Zeit mit Leiharbeitern behelfen müssen.

Auch Popat widmet sich im Nachbardorf Medhisingi seiner Granatapfelplantage mit ca. 1200 Bäumen. Einige davon hatte er im vergangenen Jahr noch mit einem Kleinstkredit von uns über 200 EUR kaufen und pflanzen können. In diesem Jahr stehen die jungen Bäume prächtig, er ist mächtig stolz, hat aber auch hart dafür geschuftet. Einmal im Monat fährt er für 10 bis 15 Tage nach Pune in die Stadt, um dort als Rikscha-Fahrer zu arbeiten. Dann verdient er noch einmal 20.000 bis 25.000 Rupien (= 250 EUR) dazu. Sein Sohn wird im nächsten Jahr in der Schule in Alegaon eingeschult und seine Frau arbeitet dann auch wieder stundenweise dort als Lehrerin/Erzieherin. Wir freuen uns sehr über den Erfolg der Familie.

Prashant ist am erfolgreichsten. Seine Farm befindet sich etwas außerhalb von Alegaon in Best Lage und hat Zugang zu einem Stausee, so dass die Wasserversorgung auch bei ausbleibender Regenzeit gesichert ist. Er ist der einzige Sohn seiner Ursprungsfamilie. Daher hatte sein Vater ihn unmissverständ-lich angewiesen, den Schuldienst aufzugeben und sich stärker dem Familienbusi-ness zu widmen. Prashant wäre gern Lehrer geblieben. Er ist ein stets lustiger, freundlicher und besonders mit den kleinen Kindern sehr liebevoller Pädagoge. Im vergangenen Jahr hatte er noch seine elterliche Farm und den tätlichen Unterricht gemanagt. Teilweise war er in Krisenzeiten auch Schulbusfahrer sowie der “Mann für alle Fälle”, wenn es irgendwelche Probleme in der Schule, mit den Bussen oder mit der Wasseraufbereitungsanlag sowie dem Internet gab. Einfach ein toller Typ und sehr zuverlässig!

Alle drei Familie haben sich über unseren kurzen Besuch sehr gefreut und auch wir waren sehr ergriffen und beeindruckt von den hart arbeitenden Männern und Frauen und fragten uns immer wieder, was in “unserer kleinen Farm” wohl schieflief. Wieso kommt sie auf keinen grünen Zweig. Na ja, ein wenig Glück gehört schon auch dazu. Maßgeblich sehen wir jedoch auch die Entscheidung für nur ein statt drei Kinder unter diesen harten Lebensumständen. Selbstverständlich sind in der Landwirtschaft auch ein eiserner Arbeitswille und Arbeitskraft gefragt. Beides ist bei Ravi nicht so stark ausgeprägt und auch die Bereitschaft, Zusatzeinkommen zu generieren, ist nicht so willkommen.
Trotzdem hoffen wir, auch für “unsere Farm” eine gute und langfristig Lösung mit Perspektive für die ganze Familie erarbeiten zu können. Wir wollen nichts unversucht lassen!

Wiedersehen in der Schule

Nach reichlich einem Jahr haben wir nun auch die “Dnyanankur English Medium School” in Alegaon wieder besucht. Da vier Lehrer aufgehört und dafür zwei Lehrerinnen sowie ein Lehrer neu angefangen haben, war das Wiedersehen ein Mix aus alt und neu. Es hat gutgetan, unseren Einfluss bzw. die Auswirkungen unseres Arbeitens in der Schule auch heute noch wiederzukennen.
Der Stauraum für Unterrichtsmaterialien mit den stapelbaren roten Gemüse-Vorratskisten aus Plastik hat sich bewährt und wird weiterhin genutzt. Die Schule hat einen Innenputz sowie einen farbigen Außen- und Innenanstrich bekommen. Alles ist nun hell und freundlich und nicht mehr betongrau. Dadurch konnten die Wände nun auch besser von den Lehrerinnen mit optischen Lerninhalten gestaltet werden. Einige der Lehrer*innen sind im Zeichnen richtig talentiert. Allerdings hat keiner daran gedacht, wasserfeste Wandfarben zu nutzen. So verwischen leider einige der Wandzeichnungen in der Regenzeit. Egal, der Wille und die Bereitschaft zählen und beim Restaurieren nach der Regenzeit werden hoffentlich dann wasserfeste Farben besorgt. Aus Erfahrungen kann man ja lernen!
Auch unsere gemeinsam mit den Lehrern hergestellten großen Pin-Wände werden weiterhin mit Unterrichtsmaterialien für die entsprechende Klasse bestückt. Die gesamte Technik (3 PC, 1 Drucker, Google drive etc.) ist allerdings verschwunden. Das liegt jedoch daran, dass unsere Empfehlung, die Schule von 8 Klassen auf nur 5 Klassen zu schrumpfen, umgesetzt wurde. Die aufwendigere 6. bis 8. Klasse mit Laborraum für chemische und physikalische Experimente wurden umgeschult und auch die Erweiterung um die Klassenstufen 9 und 10 mit dem vorhandenen Lehrkörper wurde verworfen. Unser Vorschlag, in “Schichten” Unterricht anzu-bieten, um die Räume und die Schulbusse besser auszulasten und dadurch auch den größeren Schülern eine Möglichkeit zum Lernen zu geben, wurde in Betracht gezogen. Nun wird das Konzept zum kommenden Schuljahr mit externen Lehrern aus Sangola umgesetzt. Diese werden nicht zur Dnyanankur English Medium School gehören, sondern mieten sich in die Räume der Schule ein. Somit gibt es in Alegaon nun doch auch die höheren Schulklassen, jedoch durch eine Kooperation. Das freut uns ganz besonders, da Kooperationen traditionell nicht üblich sind. Lieber kocht jeder sein Süppchen und wenn man nicht weiterkommt, muss man halt aufgeben. Nur nicht um Hilfe fragen oder sich mit Nachbarn oder Konkurrenten inhaltlich austauschen, abstimmen oder zusammentun.

Des Weiteren wurde einer der klapprigen Schulbusse abgeschafft. Stattdessen sind nur noch zwei relativ gut erhaltene und ein neuer Schulbus im Einsatz. Die Schulbusrouten wurden ebenfalls nach unseren Vorschlägen umgestellt bzw. angepasst. Auch das Schul- und Busgeld wurde um einige indische Rupien erhöht, so dass auch dadurch etwas mehr Spielraum für Instandhaltungen, Ausgestaltung der Räume und Unterrichtsmaterialien vorhanden ist. Die Lehrer wurden im ver-gangenen Jahr erstmalig regelmässig monatlich bezahlt. Es gab keine ausstehen-den Gehaltszahlungen. Dafür sind sie uns unendlich dankbar. Soviel Nachhaltigkeit hatten wir gar nicht erwartet und daher waren wir natürlich umso erfreuter zu sehen, dass die mit und durch uns so intensiv diskutierten Ideen aufgegriffen und teilweise umgesetzt wurden.
Zum Abschied standen alle Lehrer*innen, Helfer und Fahrer auf dem Schulhof und winkten uns zu. Wir hatten einen großen Beutel selbst gebackene Diwali-Süßigkeiten mitbekommen und alle freuten sich über unser Versprechen, (allerdings ohne konkrete Zeitangabe) wiederzukommen.

Wasserpark Akluj

Um Shriya ein wenig die Sorgen vergessen zu lassen, sind wir am zweiten Tag mit ihr und allen 4 Kindern nach Akluj in einen Freizeit- und Wasserpark gefahren. Der Ort liegt zwar nur 60 km von Alegaon entfernt, es dauert jedoch 2 Stunden mit dem Auto bis dorthin, aufgrund der extrem schlechten Straßenverhältnisse. An diesem Tag gab es auch noch Straßenüberschwemmungen, da es in der Nacht zuvor enorm geregnet hatte.
Eigentlich ist gerade Trockenzeit aber der Klimawandel ereilt einen in der ganzen Welt! Mit allen Umwegen und Umfahrungen der Überschwemmungsgebiete waren wir nach 3 Stunden endlich da.

Die Kinder waren bei Ankunft in dem Freizeitpark total aus dem Häuschen.
Sie kreischten und überschlugen sich förmlich beim Sprechen und Herumrennen. Überall sollten wir Fotos von ihnen machen mit Figuren, Tieren oder Spielzeugen, die verstreut auf dem Gelände herumstanden und genutzt werden konnten. Wir starteten unseren Aufenthalt mit einem recht umfangreichen Mittagessen. Die Kids trugen stolz ihre Tabletts zum Tisch und luden sich die Schalen voll mit Curry, Dal und immer neuen Puri (weiches Fladenbrot) oder Papadam (crispy Linsenfladen). Sie aßen, als ob es am nächsten Tag gar nichts mehr geben würde. Vermutlich freuten sie sich über die Abwechslung, denn auf der Farm ist das Essen im Alltag dann doch recht eintönig und Chapati findet außer uns keiner mehr lecker. Auch Shriya freute sich darüber, mal nicht selbst kochen zu müssen und die Vielfalt einfach nur genießen zu können.

Nach dem Essen wurden sämtliche Karussells, Scooter, Achterbahn und alles
sich sonst irgendwie Drehende, Schaukelnde und Wippende von den Kindern ausprobiert. Auch Shriya fuhr mit Thomas zum ersten Mal Achterbahn. Das Highlight war jedoch der Wasserpark, ein Außenschwimmbad mit Rutschen und Fontaines. Es gab einen separaten Badebereich für Jungen und für Mädchen.
Am Eingang mussten wir für alle Kinder Badesachen ausleihen, die für die Mädchen aus einer knieumspielenden Leggings und einem kurzärmeligen längeren Oberteil bestanden. Jungen tragen längere Badehosen.
Es durften jedoch nur die Kinder in den Badebereich, der von Security überwacht und vom Wasserpark-Personal beaufsichtigt wurde. Erwachsene konnten sich in einem separaten Schwimmbereich vergnügen, wobei nur wenige Inder tatsächlich schwimmen können und daher auch dieser Bereich eher ein Bade- als ein Schwimmbereich war. Darauf wollten wir gern verzichten. Ich begleitete also die 3 Mädchen in den Umkleide- und danach in den Badebereich. Die 4-jährige Surija begann zu weinen und wollte nicht ins
Wasser. Also alles wieder retour. Thomas kümmerte sich unterdessen um Arush. Auch er wollte anfangs nicht allein sein, bekam aber vom Personal die Erlaubnis mit seinen Schwestern im gleichen Becken zu toben. Shriya zog sich mit Ohm in den “Mutter-Ruheraum” zurück und wollte ein wenig schlafen.
In dieser Kombination mit allen Verständigungsproblemen, denn die Kinder sprechen kein Wort englisch, waren wir natürlich die am Beckenrand stehenden Exoten und wurden von allen bestaunt, um Fotos gebeten und über den Grund unseres Besuches befragt. Der Wasserpark wird
in dieser Abgeschiedenheit in Maharashtra wirklich nur von einheimischen Familien besucht und nie zuvor wurde ein Europäer hier gesehen. Was für ein Spass!

So tobten die Kids fast eine Stunde gemeinsam im Wasser, während wir Erwachsenen einen Kaffee auf der angrenzenden Gartenterrasse tranken. Ich
schunkelte Ohm in den Schlaf, Shriya konnte ein wenig durchatmen und später mit Thomas und den Kids ein Eis essen. Anschließend machten wir noch eine kurze Bootsfahrt auf einem kleinen See mitten im Gelände des Freizeitparks. Begeistert beobachteten die Kids wilde Gänse und am See-Ufer stehende Tierattrappen wie z. B. Elefanten, Tiger und Giraffen. Für sie ein einmaliges Erlebnis!

Völlig geschafft aber mit überglücklichen Kindern und einer lachenden Shriya fuhren wir am späten Nachmittag wieder zurück. Unterwegs hielten wir noch in Akluj, trafen kurz die Söhne von Shriyas ältester Schwägerin und aßen gemeinsam in einem Straßenrestaurant das von Thomas besonders geliebte “Pav Bhaji”, weiches Weißbrot zum Einstippen in eine zerkochte, scharf- gewürzte Tomatengemüsebreimasse. Dazu gibt es geschnittene Zwiebeln und Limetten-stücke….hmmmmm!

Mit vollem Magen ging es nun noch zum Shoppen, denn Sai sollte für die anstehen-de Hochzeit ihres Grosscousins, Shripad, im Dezember dieses Jahres in Alegaon ein neues Kleid bekommen. Nach 30- minütiger Suche in einem kleinen Laden, gab Shriya jedoch auf. Weder Größe noch Farbe waren zu ihrer und Sais Zufriedenheit.

Nun aber Heimfahrt! Uns standen noch mindestens 1,5 Stunden Autofahrt bevor. Vor 20 Uhr würden wir Alegaon ohnehin nicht erreichen und es wurde bereits dunkel. Ich hatte Ohm im Arm, er schlief und schniefte friedlich vor sich hin. Als er plötzlich erwachte, begann er jedoch lauthals zu weinen und zu schreien. Es half nichts: kein Stillen durch Shriya, kein Singen, kein Streicheln und Schunkeln, gar nichts half. Shriyas Handlungen wurden immer verzweifelter. Sie schüttelte den Kleinen, drehte ihn hierhin und dahin, hob ihn hoch und legte ihn wieder ab, bedeckte ihn mit ihrem Sari. Keine Verbesserung! Shriya hatte Ohm mittags Kuhmilch gefüttert, während wir unseren Kaffee damit tranken. Ich vermutete daher, dass Ohm diese Milch nicht vertragen und nun leider Bauchkrämpfe hatte.

Shriya war am Ende ihrer Nerven. Das Innenlicht im Auto musste angeschaltet und Ohm in das funzelige Licht gehalten werden, um nächtliche “böse Geister” zu verteiben. Staunend verfolgten wir das weitere Geschehen. Ich fragte Shriya schließlich, ob ich den Kleinen halten solle, damit sie ein Gebet sprechen könne. Richtige Frage und damit passendes Hilfsangebot! Sie überreichte mir erleichtert den schreienden Säugling und begann monoton zu murmeln. Dabei ließ sie eine Limette über den Kopf von Ohm kreisen und bestrich mit der Frucht seine
Stirn. Anschließend wurde das vordere Fenster auf der Fahrerseite geöffnet und die Limette an den Fahrer übergeben. Der machte eine Handbewegung, als wolle er die Limette aus dem Fenster werfen, gab sie jedoch an Shriya zurück und alles begann von vorn. Unterdessen massierte ich den kleinen Bauch von Ohm und hoffte, meine Vermutung bezüglich der Milchunverträglichkeit würde sich dadurch klären. So erreichten wir Alegaon und hielten umgehend erst einmal in der Dorfmitte am Tempel. Ohm hatte sich unterdessen ein wenig beruhigt. Völlig aufgelöst nahm Shriya ihr Kind und ging unverzüglich zum Gebet. “Das Böse” sollte endgültig vertrieben und Ohm beruhigt werden. Es funktioniert und Shriya war zufrieden.

Es war für uns total erstaunlich zu erleben, wie intensiv der Glaube und auch der Aberglaube Menschen in der heutigen Zeit noch in ihrem Handeln beeinflussen. Als ich am nächsten Morgen mit Shriya in der Küche sass, Ohm auf meinen Knien liegend, und fragte, wie es ihr und Ohm ginge, antwortete sie nur kurz “Gut!”. Sie wisse jedoch nichts über die Enwicklung von Kindern und worauf sie achten solle. Sie tue nur, was immer schon getan wurde. Soviel Reflektionsfähigkeit und Verständnis für die eigenen Situation hatte ich dann auch wiederum nicht erwartet. Shriya ist immer für eine positive Überraschung gut!