Ausgangssperre

Es geht in die Verlängerung! Trotz gleichbleibend niedriger Zahlen an Corona-Neuinfektionen (täglich zwischen 3 und 7 in der letzten Woche) wurden die bereits umfangreichen Schutzmaßnahmen ab 20.04. bis vorerst 30.04. verlängert. Wir können also weiterhin nur zum Einkauf aus dem Haus. Medizinische Einrichtungen und Apotheken sowie Tankstellen und Banken darf man selbstverständlich auch aufsuchen. Dafür muss man sich jedoch bei den Polizeikontrollen in der Innenstadt verständlich erklären. Restaurants und Cafés bieten weiterhin ihre Gerichte oder Kuchen „take away“ an. Doch die online-Bestellung ist mühsam, da die auf die Schnelle aus dem Boden bzw. aus dem Netz gestampften Web-Seiten nicht fehlerfrei laufen. Es erfordert Geduld, alle Angaben und auch die Möglichkeit der Bezahlung korrekt in ein Bestellformular einzugeben. Ist man beim letzten Schritt angekommen, bricht oft das Internet zusammen und alles beginnt von vorn. Auch die Lieferung funktioniert nur sehr eingeschränkt. Die Restaurants haben bisher keine Erfahrung in Bezug auf Lieferung frei Haus und eine damit verbundene effektive Routenplanung. Außerdem verfügen sie nicht über wärmespeicherndes Equipment. Oft kommt die Pizza dann doch kalt an, da sie schon eine halbe Ewigkeit unterwegs ist. Erschwerend kommt noch dazu, dass gerade wieder einmal in unserer unmittelbaren Umgebung die Straßenbauarbeiten aufgenommen wurden. Daher sind die beiden Wege zu unserem Haus erneut komplett gesperrt. Die Lieferanten fahren ewig auf ihren Motorrädern herum und finden keine Zufahrt. Manchmal müssen wir ihnen entgegengehen, um die Lieferung dann tatsächlich in Empfang nehmen zu können.

In größeren Supermärkten aber noch stärker in den vielen kleinen Lebensmittelläden an den Straßenecken wird sehr kreativ mit den verordneten Abstands- und Hygiene-Schutzmaßnahmen umgegangen. Überwiegend sieht man einfache Plastikeimer, in die ein kleiner Wasserhahn hineingesteckt und mit Klebeband abgedichtet wurde. Manchmal tut es auch ein um den Hahn herum gewickeltes Stück derber Stoff. Darunter steht dann eine Schüssel für das Tropfwasser und an der Seite findet man auf einem Hocker eine kleine Flasche Flüssigseife. Noch einfacher zu realisieren ist das Modell „Kanister“. Dazu wird ein 3 Liter Plastikkanister, der vormals zum Frischmilch holen genutzt wurde, zwischen zwei Stöcken aufgehangen. Am Kanisterhals ist eine Stippe befestigt, die mit einem weiteren Stück Holz als eine Art Pedal auf dem Boden verankert ist.
Falls also Schulleiter*innen in Deutschland noch verunsichert darüber sind, wie man denn ohne konkrete Vorgaben die Sicherheitsmaßnahmen umsetzten sollte, nur nicht lange auf Anregungen der Kultusministerkonferenz warten, sondern diese preiswerten Alternativen einfach einmal ausprobieren.
Auch das Abstandhalten ist für Dauerunverständige durch einfache Mittel
gut visualisierbar. Mit breitem Klebeband oder auch nur mit Kreide werden kreative Markierungen in Form von Kreuzen, Kreisen oder Linien gemalt oder geklebt, die den Abstand zur Kasse oder zum Vordermann ausweisen. Oft ist aber auch nur ein einfaches Band auf Augenhöhe gespannt. Es bedarf also keiner umfangreichen Investitionen, diese Beispiele funktionieren wunderbar und sollten auch in Deutschland machbar sein. Leider genügen sie wohl nicht unseren Vorstellungen und Anforderungen!

Nach wie vor ist die Innenstadt menschenleer. Fast etwas beängstigend wirken Orte, an denen sich sonst Massen an Menschen aufgehalten haben, wie z. B. am zentralen Busbahnhof mit den zahlreichen kleinen Geschäften und Lagerräumen ringsherum. Sie sind seit 16.3. geschlossen.

Somit haben die vielen kleinen Händler, Lager- und Transportarbeiter aber auch das
Sicherheits- und Reinigungspersonal kein Einkommen mehr. Aussicht auf staatliche Ausgleichszahlungen, Kurzarbeiter- oder Überbrückungsgeld gibt es nicht. Statt dessen verkündet die Regierung, dass alle leitenden
Angestellten im mittleren und höheren Management inklusive der Regierungsbeamten (auch der Präsident) ihr April-Gehalt spenden „dürfen“. Vermutlich wurden und werden auch weiterhin davon Lebensmittellieferungen oder andere Unterstützungsleistungen für bedürftige Familien finanziert.

Das ist ja mal eine spontane proaktive Maßnahme allerdings auch „verordnete“ Solidarität. Es zeigt ganz deutlich wie instabil das System doch ist und über wie wenig finanzielle Ressourcen der Staat Ruanda in einer derartigen Krisensituation verfügt. Trotzdem gibt es kein Murren und Meckern, weshalb diese Maßnahmen ergriffen und andere unterlassen werden. Nicht jeder muss zu allem eine Meinung äussern. Das empfinde ich in der aktuellen Situation als sehr angenehm. Die Menschen ergeben sich in gewisser Weise demütig ihrem Schicksal. Sie hoffen auf und beten für bessere Zeiten, die irgendwann kommen werden. Von Unzufriedenheit mit der Situation ist hier (offensichtlich) nichts zu merken. Es geht alles unspektakulär weiter wie bisher, nur ein wenig anders aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen.

Social distancing

„Social distancing“ hat für mich ganz großes Potential zum „Unwort des
Jahres 2020″ gekürt zu werden. Wenn wir sozial sein wollen, wollen wir uns eigentlich anderen nähern, helfen und nicht auf Distanz gehen. Doch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie fordert „social distancing“ genau das. Wir halten Abstand zu anderen Menschen und schränken unsere sozialen Kontakte in persönlichen Begegnungen ein. Wobei dann doch wohl eher der örtlich-räumliche Abstand, also „physical distancing“ gemeint ist.

Selbstverständlich wollen und sollen wir gerade in der Corona-Krise sozial sein. Bewusst unterstützen wir Risikogruppen und helfen z. B. älteren Menschen beim Einkauf, jedoch stellvertretend für sie statt mit ihnen. Daher sind wir gleichzeitig sozial und distanziert. Eigentlich distanzieren wir durch unser Sozialsein andere von uns und von deren normalem alltäglichen Leben. Also was denn nun? Distanz oder Nähe? Es ist kompliziert. Fest steht, es ist eine große Kunst, beides- Nähe und Distanz- gekonnt miteinander zu verbinden.

Seit wir hier in Ruanda sind, betreiben wir „social distancing“ denn wir haben hier weitaus weniger Sozialkontakte, mit denen wir uns tatsächlich treffen. Wir sind sozial über die Distanz hinweg, also mit Freunden, Kolleginnen und mit der Familie in der Heimat. Nicht erst seit der Verordnung des „social distancing“ als Corona-Schutzmaßnahme nutzen wir diverse Medien, um im Kontakt mit anderen zu bleiben. Es wird telefoniert, gefacetimed, getwittert, ge-WhatsApped, ge-SMS’t und regelmäßig kommen neue Medien dazu. Leider begreife ich die Unterschiede zwischen all diesen Anbietern gar nicht und so einfach erschließen sie sich mir auch nicht. Daher nutze ich auch nur sehr eingeschränkt und trotzdem stärker als je zuvor die Sozialen Medien. Man kommt ohne sie auf gar keinen Fall mehr aus.

Die Sozialen Medien sind eine ganz phantastische Möglichkeit, um über Entfernungen hinweg schnell mit anderen in Verbindung zu treten oder zu bleiben. Trotz „social distancing“ kann man sich weiter über lieb gewonnene Menschen informieren, an ihrem Leben oder sogar an ihrem Alltag teilhaben. Man kann auch andere am eigenen Leben teilhaben lassen, indem man vermeintlich Interessantes aus seinem eigenen Leben in Soziale Medien einstellt. Auf persönlich unpersönliche Art und Weise ist und bleibt man so miteinander verbunden.

Trotzdem ist es um ein Vielfaches schöner, miteinander von Angesicht zu Angesicht zu reden. Daher ist mein „schönstes Coronaerlebnis“, ein Videotelefonat mit allen drei Bamberger Mädels (langjährige Studienfreundinnen) und ihren Männern. Der
winzige Bildschirm meines Handys teilte sich mit jeder Anruferin, die dazu geschaltet wurde in einen weiteren noch weitaus kleineren Bildschirm.
Zuletzt waren vier winzige Live-Bilder, von jedem Paar ein Bild, auf meinem Handy-Screen zu sehen.


Wir freuten uns riesig, uns nach so langer Zeit alle wiederzusehen. Zuletzt hatten wir uns Pfingsten 2019 in der Fränkischen Schweiz zum Zelten getroffen. Wir waren begeistert, dass die Telefonverbindung zwischen Deutschland und Ruanda doch relativ konstant bestehen blieb. Es war erleichternd zu hören, dass es allen, gerade in den letzten Wochen unter den doch extremen Corona-Schutzmaßnahmen, ganz gut ergangen ist. Auch die Kids in den Familien kommen mit den Einschränkungen und der veränderten Schulsituation gut zurecht. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern perfekte
Organisation und gute Aufgabenteilung. Die drei Mädels haben´s im Griff! Die Männer ziehen mit! Matthias hat einen neuen Job begonnen und ist nun ebenfalls in den Bayrischen Staatsdienst eingetreten. Jörg möchte seine psychotherapeutische Zusatzausbildung trotz der schwierigen Bedingungen beenden, doch erst einmal ist Unterstützung beim „home schooling“ seiner drei Söhne angesagt. Hochachtung dafür! Ihr seid alle unglaublich!


Für Thomas und mich dagegen ist schon das tägliche Aufeinanderhocken zu Hause eine Herausforderung. Gerade nutzen wir im gesamten Haus auch nur noch das Wohnzimmer und die angrenzende Küche. Die obere Etage haben wir zur Quarantänezone ausgerufen, sie ist ungenutzt. Der Flurbereich hat durch starke Regefälle und aufgrund von kleinen
Dachschäden, die unterdessen repariert wurden, Feuchtigkeit bekommen. Es hat sich Schimmel an der Decke gebildet, die Wände sind feucht und Tapete löst sich vereinzelt ab. Wir vermuten, dass das der Grund dafür ist, dass Thomas in den letzten Wochen mit asthmatischem Husten und Luftnot darauf reagiert hat. Kein Corona! Er hatte sich im Rahmen seines homeoffices mehr als üblich in den oberen Räumen aufgehalten. Jetzt sind wir fast ausschließlich im Wohnzimmer, schlafen auch dort auf einer Matratze und wollen die Symptome mal ein wenig beobachten. Dazu hat Thomas ein „Anfallstagebuch“ zu schreiben begonnen, so dass wir vielleicht doch besser die Zusammenhänge erkennen können.

Mit den Bamberger Mädels telefonierten wir tatsächlich 3 Stunden. Unsere Probleme relativierten sich für mich schlagartig im Angesicht deren, für mich nur zu gut vorstellbaren Herausforderungen im Alltag. Wir haben uns vorgenommen, das technische Experiment des Videotelefonats bald einmal zu wiederholen.

Ein ähnliches schönes Erlebnis war für mich das gemeinsame Videotelefonat mit den Kids, anlässlich der offiziellen Vereidigung von Leo am Ende seines Studiums zum Bachelor im gehobenen Polizeidienst. Das wollten wir gemeinsam feiern und so telefonierten wir gleichzeitig mit Lotti und Leo. Jeder von uns hatte sich ein Getränk bereitgestellt und so stießen wir, weit entfernt voneinander, trotzdem gemeinsam auf den neuen Lebensabschnitt von Leo an.
Doch auch mit den Kids waren wir in diesem Telefonat schnell wieder beim Thema Corona. Leo und seine Freundin Larissa sind sogar beide in „systemrelevanten Berufen“ tätig und daher nun besonders wichtig für unsere Gesellschaft. Sie halten die öffentliche Ordnung aufrecht oder betreuten die Kinder anderer „systemrelevanter“ berufstätiger Eltern. Auch dieses Wort hat durchaus Potential, zum „Unwort des Jahres“ ernannt zu werden. Schön, dass wir über reichlich Auswahlmöglichkeiten verfügen.

Am jeweils anderen Ende der Welt, manchmal sogar in unterschiedlichen Zeitzonen sehen und hören wir Freunde, Thomas Geschwister, unsere Eltern, die Kids und Kolleginnen. Und diesmal sitzen wir alle im gleichen Boot, wo auch immer wir uns gerade aufhalten. Oft können wir uns gegenseitig nicht viel Neues berichten. Zu viele krisenbedingte Einschränkungen begrenzen den Alltag. Doch eins vermissen wir trotz aller Unterschiedlichkeit im sonst gewohnten Lebensstil gleichermassen, soziale Nähe durch persönliche Kontakte! Denn die kann kein noch so gutes Videotelefonat ersetzen.

Bis bald ihr Lieben! Bleibt gesund!

Wir sitzen fest

Seit vier Tagen sitzen wir fest! Nicht nur aufgrund des Ausgangsverbotes durch die Corona-Pandemie, nein wir können nunmehr auch nicht mal mehr mit dem Auto zum Einkauf fahren. Die Straße vor unserem Haus ist in beiden Richtungen unpassierbar geworden. Durch die schon ewig andauernden Straßenbauarbeiten verbunden mit der Verlegung von Rohren wurde unsere kleine Holzbrücke komplett zerstört. Der Graben darunter ist nicht riesig aber mit dem Auto eben nicht passierbar. Am anderen Straßenende haben die Kanalarbeiten für den Regenwasserabfluss begonnen aber nun stagnieren sie.
Rund um unser Haus wurden die Straßen auf- und ausgebaggert aber bisher nicht wieder befestigt. Daher thronen wir nun hoch über der neuen Straße und sitzen im Haus fest.

Die üblichen Supermärkte sind zu Fuß erreichbar aber der Weg ist weit (1 bis 1,5 Stunden). Daher sind uns Lebensmitteleinkäufe für eine Woche nicht mehr so einfach möglich. Auch der Transport unserer 5 Liter Trinkwasserkanister oder unserer Gaskartuschen ist zum Problem geworden. Unterdessen haben wir zwar herausgefunden, welcher Lieferservice beides nach Hause bringt, allerdings nehmen die Preise auch unverschämte Höhen an. So wollte ein Gaskartuschenlieferant statt 13.000 RWF (13 EUR) stattliche 40.000 RWF. Da mussten wir dankend ablehnen. Auch der Strom ist dreifach teurer geworden, obwohl wir nicht mehr als zu vor-Corona-Zeiten verbrauchen. Betroffen sind davon jedoch überwiegend Muzungus, da Einheimische fast keine elektrischen Geräte (Kühlschrank, Kaffeemaschine, Mixer etc.) und auch keinen Elektroherd besitzen. Daraufhin haben wir unsere zwei Warmwasserbeuler für die Duschen in den Bädern und das Erhitzen des Spülwassers in der Küche abgestellt. Letzteres wird jetzt auf unserem Gasherd erhitzt. Mal sehen, was die nächste Stromrechnung ausweist.

Ostersonntag in Kigali

Es ist Ostersonntag! Ein Festtag, den wir seit Jahren mit einem gemeinsamen Gottesdienst feiern. Die Familie kommt zusammen, wir nehmen uns Zeit füreinander. Ausgiebig wird gefrühstückt, manchmal gibt es sogar ein Glas Sekt und am Nachmittag suchen wir versteckte Ostersüßigkeiten. Wobei… unterdessen wird nichts mehr versteckt und gesucht, aber das war Tradition in Kindertagen.
Für mich wurde jedes Jahr von meinen Eltern der gleiche Schokoladenosterhase versteckt. Das war zum einen sehr nachhaltig für die kindliche Figur. Es zeigte aber zum anderen auch damals schon das vorbildliche Konsumverhalten meiner Eltern. Allerdings muss ehrlicherweise noch erwähnt werden, dass es zu dieser Zeit nur sehr wenig Schokolade und Süßigkeiten allgemein gab. Meine Eltern hätten sehr viel mehr Zeit in den Einkauf und in gute Beziehungen zu einer Verkäuferin investieren müssen.
Stattdessen habe ich mit ihnen und manchmal mit noch einigen Freundinnen Ostereier nach alter sorbischer Tradition gewachst und gefärbt. In meiner Lausitzer Heimat (Sachsen) sind sorbische Ostertraditionen bis zum heutigen Tag noch sehr verbreitet.
Eines Tages fiel mir dann aber doch die Ähnlichkeit, der jährlich immer
wieder neu gefundenen Schokoladenhasenfigur auf und ich sagte zu meinen Eltern: „…ach, na den Hasen kenne ich doch schon!?“ Damit war das Spiel vorbei und trotzdem hatte ich jahrelang sehr viel Freude am Suchen und Finden der überschaubaren Vielfalt an Süßigkeiten.

Dieses Jahr ist zwangsweise alles anders. Wir sind in Kigali und somit meilenweit entfernt von der Heimat und der Familie. Der bereits seit drei Wochen andauernde Corona-Lockdown zwingt uns dazu, auf den Osterspaziergang und auch auf den Kirchgang zu verzichten. Doch Dank unserer hervorragenden technischen Ausstattung und des digitalen Fortschritts holen wir uns ein klein wenig Heimat mit einem online- Festtagsgottesdienst aus Berlin hierher ins Haus. Die Übertragung ist klangtechnisch erstaunlich gut. Ein kleiner Chor aus vier Sängerinnen, begleitet von einem Trompeter und einem Organisten bringen eine wunderbare akustische Fülle hervor.

Doch der Schwenk der Fernsehkamera zeigt das erschreckende Ausmaß der Corona-Pandemie-Schutzmaßnahmen. Die riesige Kirche ist menschenleer. Das gab es seit Kriegszeiten in Deutschland noch nie. Plötzlich kommt Heimweh auf, Wehmut und ein wenig Einsamkeit. Tränen kullern!

Doch wir haben uns das Osterfest trotz aller Widrigkeiten richtig schön gemacht, mit selbst gebackenen Frühstücksbrötchen und frisch gepresstem Orangensaft. Außerdem hat Thomas SEINEN Osterkuchen aus Kindheitstagen erstmalig selbst nach dem Rezept seiner Mutter zubereitet. Ein wenig improvisieren musste er aber der Wille zählt. Stolz probieren wir ein sehr gehaltvolles Stück. Lecker!

Auch die Vorbereitungen auf das Osterfest haben mich in Kindertage zurückversetzt. Wir haben Ostereier ausgeblasen, Thomas hat sie komplett mit rotem Wachs gefärbt und dann auch noch mit Bienenwachsstreifen verziert. Das war relativ aufwendig, da wir erst einmal eine Kerze kaufen und diese dann in kleinen Stücken in einer Schale mit heißem Wasser auflösen mussten. Die braunen Eier haben die Farbe nur sehr schwer angenommen aber Thomas Beharrlichkeit zahlte sich aus. Es war nicht die klassische sorbische Wachs- oder Kratztechnik mit Federkiel aber unser Osterstrauß war einmalig. Den gab es so auch noch NIE! Na ja, das gab es seit Jahren nicht mehr. Denn wann haben wir uns das letzte Mal Zeit genommen, selbst Ostereier zu wachsen, Frühstücksbrötchen oder gar einen Osterkuchen zu backen? Seit Jahren nicht mehr! Da muss es erst eine Corona-Pandemie geben, damit wir uns wieder Zeit für all die schönen Dinge nehmen, die uns in Kindertagen von unseren Eltern vorgelebt wurden.

Vor diesem Hintergrund bin ich demütig und ein wenig beschämt. Doch es ist nicht zu spät, um sich der Traditionen zu erinnern und sich wieder mehr Zeit für Freunde, Familie und die einfachen Dinge des Lebens wie kochen und backen zu nehmen.

Tagsüber telefonierten oder schrieben wir uns dann noch mit vielen Freunden, mit unseren Eltern, den Kindern und ich fühlte mich nicht mehr so einsam.

Frohe Ostern!

Alltag mit Corona

Thomas arbeitet nun die 3. Woche im Homeoffice. Das bedeutet, es finden
zahlreiche kleine Telefonate über den Tag verteilt statt, zu denen er im Haus oder in einem unserer leeren Zimmer aber manchmal auch im Garten
umherläuft. Ab und an ist auch ein Meeting von mehreren Stunden zur Abstimmung des weiteren Vorgehens in den zahlreichen Projekten angesetzt. Thomas verbringt diese Zusammenkünfte dann mit Headset vor dem Laptop. Manchmal ist auch Ruhe im Haus, dann weiß ich, schriftliche Ausarbeitungen stehen an und höchste Konzentration ist gefordert. Also nur nicht stören!

Durch die instabile Internetverbindung ist es nicht allen Kolleg*innen von Thomas möglich, effektiv von zu Hause aus zu arbeiten. Sie sind es zum
einen nicht gewöhnt, sich selbst zu strukturieren und Arbeit eigenverantwortlich zu planen. Aufträge werden üblicherweise durch das
Management erteilt und dann abgearbeitet. Zum anderen sind Telefonate zur inhaltlichen Abstimmung oder die Bearbeitungen von Dateien auf externen Servern aufgrund der ständig abbrechenden Internetverbindung nur bedingt
möglich. So strukturiert Thomas nicht nur seine Arbeit, sondern auch die der Kolleg*innen. Um etwas mehr Effizienz in den Arbeitsablauf zu bekommen, hat eine Kollegin, die nur 10 Minuten von uns entfernt wohnt,
einen Arbeitstag in „unserem Homeoffice“ am Esstisch verbracht mit 2 Metern Abstand zwischen den Laptops und vorherigem Händedesinfizieren.
Unsere Internetverbindung ist mittlerweile zwar auch nicht mehr stabil, aber Thomas hat drei unterschiedliche Anbieter, zwischen denen er im Falle eines kompletten Ausfalls oder einer Unterbrechung wechseln kann. So kommt er über den Tag.

Auch ich reihe mich in diese ungewohnte Organisation noch mit ein. Täglich lese ich meine Studienunterlagen, stelle Prüfungsausarbeitungen zusammen oder recherchiere Methoden, Strategien und Arbeitsansätze im Internet.
Zwischendurch nutze ich eine Vinyasa-Yogaeinheit oder einen online-Sportkurs, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich
brauche einfach (viel) Bewegung! Die nunmehr fast vollständige Inaktivität schlägt mir von Tag zu Tag mehr aufs Gemüt. Ich reagiere gereizt und bin
unzufrieden. Dabei gibt es auch etliche Gründe, die diese beklemmende Situation trotzdem ertragbar und sogar schön gestalten. Das Wetter in Kigali ist nach wie vor richtig toll, angenehme 20- 25 °C. Unser Garten ist herrlich grün, die Sträucher blühen, der Ausblick ins Tal mit dem
ländlichen Treiben dort ist weiterhin faszinierend. Sogar abends können wir entspannt auf der Terrasse sitzen, den Sternenhimmel genießen und den Vögeln beim Singen ihres Gutenachtliedes lauschen.

Trotzdem ist der Tag lang und es bedarf äußerster Selbstdisziplin, eine Struktur zu erfinden, die trägt. Wir haben z. B. gemeinsam mit Thomas eine morgendliche Yogaeinheit von 30 Minuten eingebaut. Durch einfache
Dehnungsübungen kommen wir im wahrsten Sinne des Wortes entspannter in den Tag. Abends unternehmen wir ab und an noch einen kleinen Spaziergang in der Nachbarschaft, was eigentlich nicht erlaubt ist. Wir begegnen auch nur wenigen Paaren oder Zweiergruppen, die sich ebenso verhalten. Ganz ohne Bewegung geht es einfach nicht, da leidet das psychische Wohlbefinden. So hangeln wir uns mit einem Minimum an Struktur derzeit von einem Tag zum
nächsten und freuen uns, wenn wir Butter, Brot oder Gemüse brauchen und dann einkaufen gehen (oder fahren) können.

Gestern wollten wir gegen 17:30 Uhr einkaufen. Um mal einen „Tapetenwechsel“ zu haben, sind wir mit dem Auto in die Innenstadt gefahren. Auf der Hauptstraße fanden Polizeikontrollen statt und Beamte fragten jeden Einzelnen, wohin er gerade unterwegs sei und warum. Mit einem leeren Wasserkanister auf dem Rücksitz und einer großen Einkaufstasche daneben durften wir passieren, obwohl ein anderer Supermarkt wesentlich näher gelegen und in kürzerer Zeit erreichbar gewesen wäre.
In der Innenstadt fiel uns auf, das hier eindeutig weniger Menschen als in unserem ausserhalb gelegenen Wohngebiet auf den Straßen unterwegs waren. Das Zentrum glich
in der Abenddämmerung einer Geisterstadt. Die Ampeln schalteten zwar noch von grün auf rot aber es gab eigentlich gar keinen Verkehr, der geregelt werden musste. Am Straßenrand standen Polizisten mit Schutzmasken und führten vereinzelte Kontrollen durch. Auch Fussgänger wurden angesprochen.

Nach der üblichen Händedesinfektion am Security-Kontrollstand passierten
wir das Einkaufscenter zogen Einmalhandschuhe an und wollten den Supermarkt betreten, doch der war gerade dabei, zu schließen. Es war kurz nach 18:00 Uhr. Die Regierung hatte vor einer Woche kürzere Öffnungszeiten
verordnet. Das hatten wir ganz vergessen. Trotzdem ließ uns die Security als letzte Kunden noch passieren. Leider konnten wir die tatsächlich
benötigten Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse nicht mitnehmen, da das Abwiegen und Auspreisen zu dieser Zeit nicht mehr möglich waren. Um unsere Anwesenheit zu rechtfertigen kauften wir Teelichter, Lappen und ein
paar Getränke. Auf dem Rückweg hielten wir an unserem „Tante-Emma-Eck-Laden“ und tauschten unseren leeren 20 Liter Wasserkanister gegen einen vollen. Thomas nahm auch noch zwei Hühnerkeulen
mit, denn kochen steht nach Sport gleich an zweiter Stelle unserer gemeinsamen Tagesstrukturierung.

Bisher gab es keine offizielle Regierungsbekanntmachung, wie lange die schon sehr umfangreichen Schutzmaßnahmen weiter gelten. Ursprünglich waren
14 Tagen geplant, die am 30.03. beendet waren. Doch auch ohne neue Corona-Fälle (30.03 keine Neuinfektion in Rwanda) halten sich bisher sehr viele an die verkündeten Regeln.
Und auch wir bleiben weiter zu Hause!