Wasserpark Akluj

Um Shriya ein wenig die Sorgen vergessen zu lassen, sind wir am zweiten Tag mit ihr und allen 4 Kindern nach Akluj in einen Freizeit- und Wasserpark gefahren. Der Ort liegt zwar nur 60 km von Alegaon entfernt, es dauert jedoch 2 Stunden mit dem Auto bis dorthin, aufgrund der extrem schlechten Straßenverhältnisse. An diesem Tag gab es auch noch Straßenüberschwemmungen, da es in der Nacht zuvor enorm geregnet hatte.
Eigentlich ist gerade Trockenzeit aber der Klimawandel ereilt einen in der ganzen Welt! Mit allen Umwegen und Umfahrungen der Überschwemmungsgebiete waren wir nach 3 Stunden endlich da.

Die Kinder waren bei Ankunft in dem Freizeitpark total aus dem Häuschen.
Sie kreischten und überschlugen sich förmlich beim Sprechen und Herumrennen. Überall sollten wir Fotos von ihnen machen mit Figuren, Tieren oder Spielzeugen, die verstreut auf dem Gelände herumstanden und genutzt werden konnten. Wir starteten unseren Aufenthalt mit einem recht umfangreichen Mittagessen. Die Kids trugen stolz ihre Tabletts zum Tisch und luden sich die Schalen voll mit Curry, Dal und immer neuen Puri (weiches Fladenbrot) oder Papadam (crispy Linsenfladen). Sie aßen, als ob es am nächsten Tag gar nichts mehr geben würde. Vermutlich freuten sie sich über die Abwechslung, denn auf der Farm ist das Essen im Alltag dann doch recht eintönig und Chapati findet außer uns keiner mehr lecker. Auch Shriya freute sich darüber, mal nicht selbst kochen zu müssen und die Vielfalt einfach nur genießen zu können.

Nach dem Essen wurden sämtliche Karussells, Scooter, Achterbahn und alles
sich sonst irgendwie Drehende, Schaukelnde und Wippende von den Kindern ausprobiert. Auch Shriya fuhr mit Thomas zum ersten Mal Achterbahn. Das Highlight war jedoch der Wasserpark, ein Außenschwimmbad mit Rutschen und Fontaines. Es gab einen separaten Badebereich für Jungen und für Mädchen.
Am Eingang mussten wir für alle Kinder Badesachen ausleihen, die für die Mädchen aus einer knieumspielenden Leggings und einem kurzärmeligen längeren Oberteil bestanden. Jungen tragen längere Badehosen.
Es durften jedoch nur die Kinder in den Badebereich, der von Security überwacht und vom Wasserpark-Personal beaufsichtigt wurde. Erwachsene konnten sich in einem separaten Schwimmbereich vergnügen, wobei nur wenige Inder tatsächlich schwimmen können und daher auch dieser Bereich eher ein Bade- als ein Schwimmbereich war. Darauf wollten wir gern verzichten. Ich begleitete also die 3 Mädchen in den Umkleide- und danach in den Badebereich. Die 4-jährige Surija begann zu weinen und wollte nicht ins
Wasser. Also alles wieder retour. Thomas kümmerte sich unterdessen um Arush. Auch er wollte anfangs nicht allein sein, bekam aber vom Personal die Erlaubnis mit seinen Schwestern im gleichen Becken zu toben. Shriya zog sich mit Ohm in den „Mutter-Ruheraum“ zurück und wollte ein wenig schlafen.
In dieser Kombination mit allen Verständigungsproblemen, denn die Kinder sprechen kein Wort englisch, waren wir natürlich die am Beckenrand stehenden Exoten und wurden von allen bestaunt, um Fotos gebeten und über den Grund unseres Besuches befragt. Der Wasserpark wird
in dieser Abgeschiedenheit in Maharashtra wirklich nur von einheimischen Familien besucht und nie zuvor wurde ein Europäer hier gesehen. Was für ein Spass!

So tobten die Kids fast eine Stunde gemeinsam im Wasser, während wir Erwachsenen einen Kaffee auf der angrenzenden Gartenterrasse tranken. Ich
schunkelte Ohm in den Schlaf, Shriya konnte ein wenig durchatmen und später mit Thomas und den Kids ein Eis essen. Anschließend machten wir noch eine kurze Bootsfahrt auf einem kleinen See mitten im Gelände des Freizeitparks. Begeistert beobachteten die Kids wilde Gänse und am See-Ufer stehende Tierattrappen wie z. B. Elefanten, Tiger und Giraffen. Für sie ein einmaliges Erlebnis!

Völlig geschafft aber mit überglücklichen Kindern und einer lachenden Shriya fuhren wir am späten Nachmittag wieder zurück. Unterwegs hielten wir noch in Akluj, trafen kurz die Söhne von Shriyas ältester Schwägerin und aßen gemeinsam in einem Straßenrestaurant das von Thomas besonders geliebte „Pav Bhaji“, weiches Weißbrot zum Einstippen in eine zerkochte, scharf- gewürzte Tomatengemüsebreimasse. Dazu gibt es geschnittene Zwiebeln und Limetten-stücke….hmmmmm!

Mit vollem Magen ging es nun noch zum Shoppen, denn Sai sollte für die anstehen-de Hochzeit ihres Grosscousins, Shripad, im Dezember dieses Jahres in Alegaon ein neues Kleid bekommen. Nach 30- minütiger Suche in einem kleinen Laden, gab Shriya jedoch auf. Weder Größe noch Farbe waren zu ihrer und Sais Zufriedenheit.

Nun aber Heimfahrt! Uns standen noch mindestens 1,5 Stunden Autofahrt bevor. Vor 20 Uhr würden wir Alegaon ohnehin nicht erreichen und es wurde bereits dunkel. Ich hatte Ohm im Arm, er schlief und schniefte friedlich vor sich hin. Als er plötzlich erwachte, begann er jedoch lauthals zu weinen und zu schreien. Es half nichts: kein Stillen durch Shriya, kein Singen, kein Streicheln und Schunkeln, gar nichts half. Shriyas Handlungen wurden immer verzweifelter. Sie schüttelte den Kleinen, drehte ihn hierhin und dahin, hob ihn hoch und legte ihn wieder ab, bedeckte ihn mit ihrem Sari. Keine Verbesserung! Shriya hatte Ohm mittags Kuhmilch gefüttert, während wir unseren Kaffee damit tranken. Ich vermutete daher, dass Ohm diese Milch nicht vertragen und nun leider Bauchkrämpfe hatte.

Shriya war am Ende ihrer Nerven. Das Innenlicht im Auto musste angeschaltet und Ohm in das funzelige Licht gehalten werden, um nächtliche „böse Geister“ zu verteiben. Staunend verfolgten wir das weitere Geschehen. Ich fragte Shriya schließlich, ob ich den Kleinen halten solle, damit sie ein Gebet sprechen könne. Richtige Frage und damit passendes Hilfsangebot! Sie überreichte mir erleichtert den schreienden Säugling und begann monoton zu murmeln. Dabei ließ sie eine Limette über den Kopf von Ohm kreisen und bestrich mit der Frucht seine
Stirn. Anschließend wurde das vordere Fenster auf der Fahrerseite geöffnet und die Limette an den Fahrer übergeben. Der machte eine Handbewegung, als wolle er die Limette aus dem Fenster werfen, gab sie jedoch an Shriya zurück und alles begann von vorn. Unterdessen massierte ich den kleinen Bauch von Ohm und hoffte, meine Vermutung bezüglich der Milchunverträglichkeit würde sich dadurch klären. So erreichten wir Alegaon und hielten umgehend erst einmal in der Dorfmitte am Tempel. Ohm hatte sich unterdessen ein wenig beruhigt. Völlig aufgelöst nahm Shriya ihr Kind und ging unverzüglich zum Gebet. „Das Böse“ sollte endgültig vertrieben und Ohm beruhigt werden. Es funktioniert und Shriya war zufrieden.

Es war für uns total erstaunlich zu erleben, wie intensiv der Glaube und auch der Aberglaube Menschen in der heutigen Zeit noch in ihrem Handeln beeinflussen. Als ich am nächsten Morgen mit Shriya in der Küche sass, Ohm auf meinen Knien liegend, und fragte, wie es ihr und Ohm ginge, antwortete sie nur kurz „Gut!“. Sie wisse jedoch nichts über die Enwicklung von Kindern und worauf sie achten solle. Sie tue nur, was immer schon getan wurde. Soviel Reflektionsfähigkeit und Verständnis für die eigenen Situation hatte ich dann auch wiederum nicht erwartet. Shriya ist immer für eine positive Überraschung gut!

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