Vom Wert der Arbeit

Viele unserer Gespräche, die Sonni und ich miteinander führen drehen sich um die wahrgenommenen unterschiedlichen Antriebe für Arbeit, die wir vorfinden. Was ist intrensisch? Was ist extrensisch? Wann kommt als Motivator Geld ins Spiel – ab wann hört Geld auf als Motivator eine Rolle zu spielen. Wann setzen andere Motivationsinstrumente ein?

Für vieles, was wir in unserem Alltag vorfinden muss man sich immer wieder verdeutlichen, wie wenig die Leute hier selbst im Vergleich zu anderen für ihre Arbeit an Gehalt im Monat bekommen. Ein paar Werte mal als Vergleich – immer mal den Umrechnungskurs von 80 Rupien = 1 Euro im Blick behalten:

  • Gehalt eines erfahrenen Lehrers bei uns: 4500 Rupien
  • Gehalt eines Anfängers bei uns: 4000 Rupien
  • Gehalt für eine Putzfrau bei uns: 1500 Rupien
  • Monatsticket für den Bus: 500 Rupien
  • Gehalt nach 3 Jahren an einer staatlichen Schule: 20000-25000 Rupien
  • Bestechungsgeld um eine solche Stelle zu erhalten: 1 Mio – 2,5 Mio Rupien
  • Gehalt des Fahrers des Schulbusses (morgens und nachmittags jeweils 2h Arbeit): 6000 Rupien
  • Gehalt eines staatlichen Busfahrers: 9000 Rupien
  • Bestechungsgeld um eine solche Stelle zu erhalten: 500 Tausend Rupien
  • Flatrate für 3 Monate Internet auf dem Handy: 500 Rupien
  • 1 kg Äpfel: 200 Rupien
  • 1 kg Ziegenfleisch: 400 Rupien
  • 1 kg Hühnerfleisch: 250 Rupien
  • 1 kg Mango: 50 Rupien
  • 1l Öl: 100 Rupien
  • einfaches T-Shirt: 150 Rupien
  • einfaches Busticket nach Sangola: 20 Rupien
  • Benzin für Alegaon-Sangola-Alegaon: 50 Rupien

Für einen Lehrer, der aus Sangola anreisen muss, bleiben demzufolge nach Abzug der Fahrtkosten 3500-4000 Rupien übrig. Das ist auch für Indien nicht sehr viel Geld. Die Schwelle zu gar keinem Verdienst ist dabei nicht mehr besonders hoch. Da wir nun auch noch eingeführt haben, dass das Gehalt an die Anwesenheitszeit vor Ort gekoppelt wird, ergeben sich beim Zuspätkommen Einzelner durch Farmarbeit etc. teilweise sehr reduzierte Gehälter. Warum kommen die Lehrer also überhaupt noch zur Arbeit?

Weshalb unsere Putzfrau vollkommen faul in der Ecke lümmelt, erschließt sich für mich vollkommen beim Blick auf den Gehaltszettel (20 EUR). Sie empfindet das Ganze vermutlich eher als gute Möglichkeit mal aus dem Haus zu kommen und ein andere soziales Umfeld zu haben. Für wertgeschätzte Arbeit, echte Arbeit, ist das Geld viel zu wenig.

Natürlich ist das Geld ein Riesenthema, zumal seit März keine Gehälter an die Lehrer gezahlt wurden. Für die Bus- Monatskarten mussten sich einige Lehrer Vorschüsse erbitten, damit sie überhaupt zur Schule kommen.

Wir haben in den letzten Tagen jedoch die Erfahrung gemacht, dass ganz klassisch produktive und erfolgreiche Arbeit die Leute motiviert, positives Feedback und gemeinsame Ziele – alles ganz normale Motivationsmittel aus dem Management.

Dass der Druck jedoch manchmal übergroß wird und die Motivationsschwelle bei all den externen Hindernissen zu hoch, ist jedoch auch nachzuvollziehen. Das bedeutet dann zwar für uns wieder Tiefenfrustration ist jedoch rational erklärbar. Manches fühlt sich an wie in einem Freiluftlabor der Motivationstheoretiker – das macht dann Spaß – manches ist einfach nur Chaos.

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