Prominenz zum Feiertag

Zwischen Rwanda und Deutschland besteht eine enge Verbindung aufgrund der leidvollen Geschichte beider Länder, die bis in die Gegenwart hineinwirkt. Deutschland muss sich mit den Massenmorden an den Juden und Rwanda mit dem Genozid an den Tutsi auseinandersetzen. Trotz dieser unvorstellbaren Ereignisse haben die Völker beide Länder einen Neuanfang und eine Aus- oder Versöhnung geschafft. Das Gesellschaftliche Gedächtnis wird durch eine traditionelle Erinnerungskultur jährlich mahnend aufgefrischt. Der Neuanfang nach dem Mauerfall 1989 wird am 3. Oktober in Rwanda jedes Jahr in der Deutschen Botschaft oder in der Deutschen Residenz (Sitz des Deutschen Botschafters) begangen. Alle Deutschen, die an diesem Tag in Rwanda leben und arbeiten, werden zu einem feierlichen Abend mit der politischen Elite Rwandas und Deutschlands am Nationalfeiertag eingeladen. So waren wir in diesem Jahr auch mit dabei. Thomas hatte sogar durch mehrmalige offizielle Anfragen erwirkt, dass auch Lotti mit dabei sein konnte. Am 05.10. wird jährlich „in return“ in Deutschland ein Rwandischer Nationalfeiertag gemeinsam begangen und eine Delegation reist dann an.

Die Deutsche Residenz war unerwartet klein, jedoch überall sehr festlich dekoriert. Erstmalig schritten wir als geladene Gäste auf einem roten Teppich vom Eingangsbereich der Villa in den Garten. Dort stand ein großes weißes Zelt mit strahlenden Kronenleuchtern und der Garten war mit Lichterketten geschmückt. Pünktlich zur offiziellen Eröffnung trafen wir ein. Eine Zeremonienmeisterin verkündete den Ablauf des Abends. Es würden selbstverständlich die beiden Nationalhymnen erklingen und gesungen werden, anschließend würde die offizielle Begrüßung erfolgen und daran anschließend die Rede des Ehrengastes, des Deutschen Gesundheitsministers- Jens Spahn. Abschließend würde der Rwandische Umweltminister sprechen und erst danach folge der kulinarische und für alle vermutlich interessantere Teil des Abends. Wie Recht die Zeremonienmeisterin doch hatte. Ich muss zugeben, dass das Erklingen der Deutschen Nationalhymne in dieser Situation mich nicht völlig unbeeindruckt gelassen hat. Wann hören, geschweige denn singen wir Deutschen unsere Hymne. Wir hören sie zur Fußball-Weltmeisterschaft und ich ärgere mich, wenn nicht einmal die Spieler der Nationalmannschaft mitsingen! Zum Nationalstolz wurden wir Deutschen nicht erzogen und trotzdem kam in mir ein Anflug davon auf. Um uns herum wurde sogar mitgesungen und so habe auch ich leise den Text mitgesprochen. Ein sehr ergreifender Moment, Gänsehaut!
Da der neue Botschafter Deutschlands in Rwanda, Dr Thomas Kurz, bisher noch nicht offiziell seine Ernennungsurkunde vom Präsidenten erhalten hat, begrüßte stellvertretend die Interimsleiterin der Deutschen Botschaft alle Anwesenden mit einer recht lustigen und kurzweiligen Rede.
Tiefgreifender war dann selbstverständlich die Ansprache unseres Gesundheitsministers. Er verwies auf die beispielhafte, langjährig gute Zusammenarbeit. Die Geschichte beider Länder ermahne jedoch auch alle, sich trotz unterschiedlicher Meinungen für demokratische Vielfalt, Respekt, Wertschätzung und Menschlichkeit einzusetzen.
Von der Rede des Rwandischen Umweltministers habe ich trotz der Nähe zum Rednerpult nicht so viel mitbekommen, da zweimal ein kurzer Stromausfall das Festzelt in Dunkelheit versetzte und dadurch auch das Mikrophon ausfiel. Schnell wurden jedoch von der Zeremonienmeisterin Kerzen aufs Pult gestellt und ohne peinliche Unterbrechung lief alles reibungslos weiter. Profis eben!

Wir hatten absichtlich und auch aus Zeitgründen auf ein Abendessen verzichtet und hofften nun, nach dem offiziellen Teil des Empfanges, auf die deutschen Köstlichkeiten, die uns von der Zeremonienmeisterin bereits angekündigt worden waren. Es gab jedoch kein Buffet, sondern zahlreiche Kellner*innen servierten kleine Leckereien in „französischer Verzehrgröße“ aus der „German Butchery“ in Kigali. So kamen wir in den Genuss von Reibeküchlein, Apfelstreuselkuchen, Bienenstich, Minigläschen gefüllt mit käseüberbackenen Spätzle und Salzbrezelchen. Für den größeren Hunger bestand die Chance auf eine Grillwurst.

Es war ein wunderbarer Abend! Wir trafen einige Leute, die wir unterdessen durch die GIZ, RISA oder andere Organisationen kennengelernt hatten. Nach einem Blick durch die Menge der anwesenden Gäste wurde für mich noch einmal mehr deutlich, dass in diesem Umfeld schon sehr besondere Persönlichkeiten leben und arbeiten. In Europa stehen auf entsprechenden Empfängen eindeutig die Männer, traditionell gekleidet in schwarz, dunkelblau oder grau im Vordergrund. Hier sah ich binationale Paare jeglichen Alters in bunter traditioneller Kleidung oder in extravaganter festlicher Abendgarderobe. Auch die jungen aufstrebenden Business-Men bzw. Politiker mit gezwirbelten Bärten und ihren Begleiterinnen in silberglänzenden Hosenanzügen mit herausstechenden Accessoires oder Kopfbedeckungen waren ein interessanter und bunter Blickfang am Abend. Wir schienen da irgendwie nicht hinzugehören: zu normal, zu unauffällig!

Wie vielfältig die Looks, wie unterschiedlich die privaten Interessen, die einzelnen beruflichen Hintergründe und die gewünschten Zukunftsperspektiven auch waren, in kurzen Gesprächen fand anscheinend doch jeder mit dem anderen immer einen kleinen gemeinsamen Nenner.

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