Ostersonntag in Kigali

Es ist Ostersonntag! Ein Festtag, den wir seit Jahren mit einem gemeinsamen Gottesdienst feiern. Die Familie kommt zusammen, wir nehmen uns Zeit füreinander. Ausgiebig wird gefrühstückt, manchmal gibt es sogar ein Glas Sekt und am Nachmittag suchen wir versteckte Ostersüßigkeiten. Wobei… unterdessen wird nichts mehr versteckt und gesucht, aber das war Tradition in Kindertagen.
Für mich wurde jedes Jahr von meinen Eltern der gleiche Schokoladenosterhase versteckt. Das war zum einen sehr nachhaltig für die kindliche Figur. Es zeigte aber zum anderen auch damals schon das vorbildliche Konsumverhalten meiner Eltern. Allerdings muss ehrlicherweise noch erwähnt werden, dass es zu dieser Zeit nur sehr wenig Schokolade und Süßigkeiten allgemein gab. Meine Eltern hätten sehr viel mehr Zeit in den Einkauf und in gute Beziehungen zu einer Verkäuferin investieren müssen.
Stattdessen habe ich mit ihnen und manchmal mit noch einigen Freundinnen Ostereier nach alter sorbischer Tradition gewachst und gefärbt. In meiner Lausitzer Heimat (Sachsen) sind sorbische Ostertraditionen bis zum heutigen Tag noch sehr verbreitet.
Eines Tages fiel mir dann aber doch die Ähnlichkeit, der jährlich immer
wieder neu gefundenen Schokoladenhasenfigur auf und ich sagte zu meinen Eltern: „…ach, na den Hasen kenne ich doch schon!?“ Damit war das Spiel vorbei und trotzdem hatte ich jahrelang sehr viel Freude am Suchen und Finden der überschaubaren Vielfalt an Süßigkeiten.

Dieses Jahr ist zwangsweise alles anders. Wir sind in Kigali und somit meilenweit entfernt von der Heimat und der Familie. Der bereits seit drei Wochen andauernde Corona-Lockdown zwingt uns dazu, auf den Osterspaziergang und auch auf den Kirchgang zu verzichten. Doch Dank unserer hervorragenden technischen Ausstattung und des digitalen Fortschritts holen wir uns ein klein wenig Heimat mit einem online- Festtagsgottesdienst aus Berlin hierher ins Haus. Die Übertragung ist klangtechnisch erstaunlich gut. Ein kleiner Chor aus vier Sängerinnen, begleitet von einem Trompeter und einem Organisten bringen eine wunderbare akustische Fülle hervor.

Doch der Schwenk der Fernsehkamera zeigt das erschreckende Ausmaß der Corona-Pandemie-Schutzmaßnahmen. Die riesige Kirche ist menschenleer. Das gab es seit Kriegszeiten in Deutschland noch nie. Plötzlich kommt Heimweh auf, Wehmut und ein wenig Einsamkeit. Tränen kullern!

Doch wir haben uns das Osterfest trotz aller Widrigkeiten richtig schön gemacht, mit selbst gebackenen Frühstücksbrötchen und frisch gepresstem Orangensaft. Außerdem hat Thomas SEINEN Osterkuchen aus Kindheitstagen erstmalig selbst nach dem Rezept seiner Mutter zubereitet. Ein wenig improvisieren musste er aber der Wille zählt. Stolz probieren wir ein sehr gehaltvolles Stück. Lecker!

Auch die Vorbereitungen auf das Osterfest haben mich in Kindertage zurückversetzt. Wir haben Ostereier ausgeblasen, Thomas hat sie komplett mit rotem Wachs gefärbt und dann auch noch mit Bienenwachsstreifen verziert. Das war relativ aufwendig, da wir erst einmal eine Kerze kaufen und diese dann in kleinen Stücken in einer Schale mit heißem Wasser auflösen mussten. Die braunen Eier haben die Farbe nur sehr schwer angenommen aber Thomas Beharrlichkeit zahlte sich aus. Es war nicht die klassische sorbische Wachs- oder Kratztechnik mit Federkiel aber unser Osterstrauß war einmalig. Den gab es so auch noch NIE! Na ja, das gab es seit Jahren nicht mehr. Denn wann haben wir uns das letzte Mal Zeit genommen, selbst Ostereier zu wachsen, Frühstücksbrötchen oder gar einen Osterkuchen zu backen? Seit Jahren nicht mehr! Da muss es erst eine Corona-Pandemie geben, damit wir uns wieder Zeit für all die schönen Dinge nehmen, die uns in Kindertagen von unseren Eltern vorgelebt wurden.

Vor diesem Hintergrund bin ich demütig und ein wenig beschämt. Doch es ist nicht zu spät, um sich der Traditionen zu erinnern und sich wieder mehr Zeit für Freunde, Familie und die einfachen Dinge des Lebens wie kochen und backen zu nehmen.

Tagsüber telefonierten oder schrieben wir uns dann noch mit vielen Freunden, mit unseren Eltern, den Kindern und ich fühlte mich nicht mehr so einsam.

Frohe Ostern!

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