Geschafft

Das Studienjahr 2020/2021 ist offiziell am 27.08. zu Ende gegangen. Acht Student*innen im IT- Trainingsprogramm von „Seeing Hands Rwanda“ haben auch ihren Universitätsabschluss (Bachelor) an unterschiedlichen Fakultäten GESCHAFFT. Zeit zum Feiern! Doch fast alle blinden und sehbehinderten jungen Leute leben in dörflichen Strukturen am Stadtrand von Kigali oder einige sogar in entfernten Dörfern. Es ist kein Geld für eine Party oder ein festliches Outfit vorhanden, daher wurde „Seeing Hands Rwanda“ angefragt, zu unterstützen.

Einige Student*innen sind vorübergehend zu Verwandten nach Kigali gezogen, um an dem IT- Training teilnehmen zu können und werden aber mehr geduldet als herzlich aufgenommen. Die Familien erwarten von ihnen, dass sie durch das IT- Training bald einen Job und damit ein eigenes Einkommen haben werden und dann endlich zum Familienunterhalt beitragen können. Die Lebensumstände und -verhältnisse sind überall sehr bescheiden und oft kritisch. Das musste ich bei meinen Besuchen in den Dörfern oft feststellen.

Kinder arbeiten hart auf den kleinen Familienfarmen. Ein Schulbesuch wird ihnen durch die Eltern oft nicht ermöglicht, obwohl die staatlichen Schulen kostenlos und zahlreich vorhanden sind. Essen ist eben wichtiger als Bildung. Häufig passieren auch Haushaltsunfälle, bei denen Kinder teilweise schwere Verletzungen, Verbrennungen oder Brüche erleiden. Auch von häuslicher Gewalt wird noch oft berichtet. Da das Aufsuchen eines Krankenhauses aufgrund der Entfernung und fehlender Transportmittel oft nicht möglich oder aber aufgrund traditioneller Einstellungen nicht erwünscht ist, entwickeln sich unbehandelte Erkrankungen und Verletzungen zu einer Behinderung.

Vergangene Woche besuchte ich mit Beth und Callixte (Leiter der NGO „Hope in his Vision“) die 16-jährige Saline und ihre Familie. Sie leben ca. eine Autofahrtstunde von Kigali entfernt. Ihre eine Gesichtshälfte wurde durch einen solchen Haushaltsunfall (Verbrennung) vor vier Jahren total entstellt und auf einem Auge ist das Mädchen blind. Seitdem wird Saline im Haus versteckt und gilt als verflucht. Rituale zur Dämonenvertreibung finden nach Aussage der Mutter regelmäßig statt. Ein Schulbesuch ist Saline unmöglich, da sie von allen gemieden wird. „Seeing Hands Rwanda“ bemüht sich nun um eine Lösung oder wenigstens um eine geringfügige Verbesserung ihrer Situation. Wie diese aussehen kann, wissen wir noch nicht. Der Weg wird lang und schwer aber wir wollen es versuchen!

Umso erstaunlicher ist es für mich zu erleben, dass aus solchen Verhältnissen kommend, Kinder doch einen Universitätsabschluss erreichen können. Wie hart mag wohl ihr Weg und der Kampf ihrer Familien mit der dörflichen Gemeinschaft gewesen sein?

Daher haben Beth und ich selbstverständlich am 27.08. eine kleine Party für die graduierenden Student*innen organisiert. Gemeinsam haben wir online die offizielle Abschluss-Zeremonie der Universität Kigali verfolgt und anschließend mit selbst gebackenem Zitronenkuchen und einem intensiven Fotoshooting sowie kleinen Ansprachen gefeiert. Alle Student*innen waren richtig glücklich. Endlich würdigte jemand ihre individuelle Leistung und ermutigte sie, weiter zu kämpfen und ihre Ziele zu verfolgen. So viel Dankbarkeit habe ich bisher sehr selten erlebt. Dabei bestand mein Beitrag lediglich in diesen zwei Kuchen und dem Fotoshooting. Die Vorbereitungszeit dafür dauerte nur wenige Stunden.

Dagegen wird in Deutschland für ähnliche Events sehr langfristig geplant und detailliert organisiert, um ein angemessenes und festliches Ambiente zu erzielen. Es ist toll, so etwas durch Freunde und Familie ermöglicht zu bekommen oder es sich selbst ermöglichen zu können. Doch ich bin ein wenig beschämt darüber, wie selbstverständlich es für viele von uns (mich eingeschlossen) geworden ist, in oft sehr großzügigem Rahmen Jubiläen feiern zu können.

Es hat mir erneut gut getan zu sehen, dass man auch mit wenig Prunk und ohne große Geschenke glücklich und zufrieden sein kann. Von Herzen kommende Achtung und Wertschätzung ist ganz leicht und über Landes- sowie Kulturgrenzen hinaus vermittelbar und macht den Empfänger einfach glücklich.

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