Geburtstag in der Ferne

Wie feiert man nun Geburtstag in der Ferne – für Sonni war das keine leichte Vorbereitung – die soziale Kontrolle im Ort ist ja fast vollständig – wie bereitet man da auch nur die kleinste Überraschung vor? Mein Geburtstag war am 20. April und Sonni war vorher schon am Verzweifeln. Letztendlich lief es dann aber ganz normal “indisch” ab.
Es gibt zum Beispiel keine besonderen Kerzen – und Windlichter gleich gar nicht – und wenn es Kerzen gibt, muss man aufpassen, dass die in der Hitze nicht gleich wegfließen. Wir haben dann Plastikflaschen zerschnitten und die kleinen Kerzen unten in Erde gestellt – Sonni hat dann noch Blüten drumgewickelt.
Mein Blumenstrauß war eine Wiederverwertung – am Tag vorher hatten wir Rosen in dem einen College erhalten, wo wir Lehrer anwerben wollten – Sonni hat jedem einzelnen Beschenkten anschließend die Rose abgenommen, um wenigstens einen kleinen Strauß für mich zu haben.
Am Morgen hatten wir dann wenigstens 5 Minuten für unsere kleine Rosenzeremonie – anschließend natürlich überall die Glückwünsche.
In der Schule dann ein ohrenbetäubend geschriehenes “Happy Birthday”-Geburtstagsständchen aus 200 Kindermündern.
Was natürlich an einem Geburtstag keinesfalls fehlen darf sind “Birthday Bumps” und Cremekuchen, den man sich in einem wunderschönen Ritual gegenseitig in den Mund steckt. Um die “Birthday Bumps” bin ich glücklicherweise herumgekommen – das sind nämlich nichts weiter als wüste Tritte und Rempeleien, die von den engsten Freunden durchgeführt werden und zwar lieb gemeint sind – trotzdem ziemlich weh tun und heftige blaue Flecken hinterlassen. Anschließend habe ich dann noch Bonbons an alle Kinder verteilt, so wie das bei jedem anderen Geburtstag in der Schule gemacht wird.

Für das Essen abends hat Ravi dann 2kg Ziegenfleisch aus dem Nachbardorf besorgt – für uns wäre das nicht unbedingt notwendig gewesen, da das vegetarische Essen von Shria sehr sehr gut ist – doch es war allen wichtig, ein ganz besonderes Essen zu machen. Dazu gab es dann noch eine Torte, damit auch die Kinder zu Hause etwas davon abbekommen. Für Musik konnten wir ein altes ausrangiertes Autoradio nutzen, dass mit einer riesigen Box verbunden war – leicht verzerrt – aber das ganze Feld wurde beschallt. Leider reichte die Geduld dann nicht so richtig aus, mehrere europäische Songs anzuhören – die Kids wollten unbedingt zurück zu den indischen und teilweise traditionellen Stücken. Dafür haben sie aber auch noch ein wenig für mich getanzt, was ich ziemlich rührend fand.
Zum Abschluss gab es noch eine Zeremonie, die wir später dann für Michl und Diana nutzen konnten. Ich als Geehrter wurde durch die Frauen des Hauses (also insbesondere Sonni und Shria) mit Reis beworfen oder betupft und mit einem Öllämpchen erleuchtet.

Insgesamt sehr stimmungsvoll und schön – auch wenn ich natürlich meine Freunde und Familie von zu Hause und die heimischen Geburtstagsrituale vermisst habe – letztendlich lebt man doch so wie man sozialisiert wurde – es wäre naiv zu denken, dass davon nichts bleibt.

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