Emotionen

Emotionen zu zeigen, ist nicht einfach, das wissen wir alle! Wann und wie zeige ich, dass ich traurig, enttäuscht, wütend, stolz, erfreut, ängstlich oder verliebt bin. Die Vielfalt unserer Emotionen können wir ohnehin gar nicht ausdrücken, wir sind es einfach nicht gewohnt.

Indien ist noch einmal krasser in Bezug auf Emotionen. Hier läuft alles (fast) emotionslos ab. Jemanden drücken oder allgemein freundschaftlich berühren? Völlig ausgeschlossen! Von intimeren Handlungen wie z. B. Händchen halten, Kuss auf die Wange, über den Kopf streichen etc. ganz zu schweigen. Lediglich Männerpaare jedweden Alters, die sich an den Händen halten, sieht man in der Öffentlichkeit. Was jedoch nicht bedeutet, dass sie homosexuell sind.

Auf dem Land hatte ich erwartet, dass man sich freundlich (be)grüßt, da ohnehin jeder jeden kennt und sogar weitläufig innerhalb der eigenen Familie geheiratet wird. Jedoch auf dem Weg ins Dorf werden die Nachbarn, die auf dem Feld arbeiten oder die einem unmittelbar entgegenkommen nicht grüßen. Das macht man nicht, ist nicht üblich! Ein spontanes Foto schießen oder sogar auf einem Foto vor Freude herzlich lachen? Das entspricht nicht dem Schönheitsideal und daher schauen alle immer relativ ernst und posieren, wobei die Arme „an der Hosennaht“ sind.

Gestik und Mimik habe ich bisher auch nur wenig bemerkt, lediglich das zustimmende Kopfschütteln oder das nickende Verneinen. Bei bestehendem Interesse für etwas wird das- oder derjenige durchdringend angestarrt. Für unser Verständnis ist dieses Verhalten absolut unangemessen und grenzüberschreitend.

Es gibt viele Gesten der Ehrerbietung in der Öffentlichkeit wie z. B. den Kopf und damit den Blick senken, mit den Händen die Füße des Gegenübers berühren oder gar vor jemandem auf die Knie sinken sowie die Hände vor der Brust falten. Freudenausbrüche dagegen oder selbst zaghafte Bekundungen von Freude durch ein Lächeln begegnen einem in der Öffentlichkeit nicht.

Allerdings muss ich sagen, dass unterdessen im ganzen Dorf gewunken wird wenn wir kommen oder gehen. Aus Unwissenheit und Unsicherheit haben wir anfangs unser deutsches Verhalten einfach beibehalten und immer eine Hand zum Gruß gehoben und nun ist Winken angesagt.

Verärgerung zwischen zwei Parteien bekommt man am ehesten und unmittelbar mit: es wird dann richtig laut und richtig schnell gesprochen. Die Tonlage der Stimmen bekommt etwas hysterisches und sie scheinen sich zu überschlagen. Genau so schnell wie der Ausbruch kommt, ist jedoch auch wieder totale Ruhe zwischen den Gesprächsparteien. Alle schweigen sich an und gehen gemeinsam wie gewohnt ihren Aktivitäten nach, als wäre nichts gewesen. Schmollen oder sich aus dem Weg gehen, geht nicht. Es wohnen ja alle miteinander oder zumindest eng beieinander.

Es ist sehr schwer im Alltag unter eigener Anspannung wahrzunehmen, ob der jeweilige Gesprächspartner über das Gesagte erfreut oder verärgert ist. Manchmal habe ich schon gedacht, die könnten sich doch jetzt mal freuen, das Problem hat sich geklärt oder unser Projekt ist doch sehr erfolgreich. Jedoch kommt keine entsprechende Reaktion. Das verunsichert mich immer wieder.

Ich kommuniziere mit Gestik und Mimik, um mich bei allen nicht englisch sprechenden Personen trotzdem verständlich zu machen. Dabei wirke ich wahrscheinlich wie eine Schauspielerin und zaubere unterdessen sogar bei Tatja ein erkennbares Lächeln ins Gesicht.

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