Einheimische Bierbraukunst

Generell wird in Rwanda viel Bier getrunken. Es gibt etliche Sorten Lager- und Malzbier und damit eine recht große Auswahl. Auf dem Land findet man jedoch am häufigsten das selbst gebraute Bananenbier. Auf unseren Wanderungen z. B. dem Kongo-Nil-Trail wurde es uns bereits immer wieder mal angeboten, doch wir waren skeptisch bezüglich des „Reinheitsgrades“. Daher wollten wir uns eine touristentaugliche Bananenbierprobe auf keinen Fall entgehenlassen und stimmten zu, eine Familie zu besuchen, die für ein gesamtes Dorf das Bier braut. Das war unsere Chance! Mit Ferdinand, unserem Toureguide, würden Josy und ich erneut eine Wanderung im Umland von Musanze und abschließend einen kleinen Abstecher in die einheimische Brauereikunst unternehmen. Thomas und Lotti blieben in der „La Locanda“ bei Alberto und seinem Team und arbeiteten von dort aus im Homeoffice.
Nachdem wir zu dritt das belebte Stadtzentrum von Musanze passiert hatten, wanderten wir drei Stunden relativ abgeschieden entlang eines kleinen Flusses und durch eine angrenzende Sumpflandschaft, vorbei an kleinen Wasserfällen, Ziegeleien und Abbaugebieten von nichtmetallischen Mineralien. Die Virunga- Bergkette immer im Hintergrund weit sichtbar.

Schließlich erreichten wir ein kleines Dorf. Wir spürten skeptische Blicke von den Einheimischen und waren froh, mit Ferdinand unterwegs zu sein. In der Mitte der Dorfstraße stand unweit von uns entfernt ein kleiner Mann in schmutzigen zerrissenen Sachen, lallte Unverständliches vor sich hin und schwankte auffallend. Auch im Dorf selbst sahen wir weitere Männer mit glasigen roten Augen und verschwommenem Blick. Selbst Frauen schauten uns mit leeren trüben Augen an. Oh je, das waren also vermutlich die ersten Auswirkungen der einheimischen Bierbraukunst, der wir uns gerade erst interessiert widmen wollten.


Josy und ich traten nach Aufforderung von Ferdinand durch eine kleine Tür in eines der am Wegrand stehenden Lehmhäuser. In dem sich anschießenden winzigen Innenhof sassen auf der rechten Seite Frauen mit Kleinkindern und Babies auf dem Arm auf schmalen Holzbänken. Auf der linken Seite hatten es sich einige Männer bequem gemacht. Zu unserer großen Überraschung tranken nicht nur sie das offensichtlich trübe Bananenbier. Auch die Frauen hatten etliche Flaschen mit Strohhalmen in der Hand und ermunterten sogar die Kinder zum Trinken. Wir waren sprachlos und wütend, obwohl uns klar war, dass die Dorfbewohnerinnen vermutlich aus Unkenntnis handelten und sich der tragischen Konsequenzen von Alkohol bei stillenden und schwangeren Müttern nicht klar waren. Wir tauschten die üblichen Begrüßungsworte in Kinyarwanda aus und schon wurden wir in ein Seitengebäude geschoben. Dort befanden sich drei winzige dunkle Räume, alle ohne Fenster, nur mit kleinen Lüftungsschlitzen versehen. In einem Raum stand eine Kuh, mit einem Seil eng an einer Stange festgebunden. Bewegungsspielraum gleich Null. Ein anderer Raum war pechschwarz, die Wände rußverschmiert und der sandige Fußboden mit Asche und Schalenresten bedeckt. Drei Steine lagen auf der Erde, die als Feuerstätte dienten. Wir befanden uns offensichtlich in der Küche. Der dritte Raum diente als Vorratsraum, in dem u.a. die Bananen lagerten. Sie waren in eine große LKW-Plane eingeschlagen und lagen in einem Loch, welches in den sandigen Boden des Raumes gegraben worden war.

Wir entnahmen einige Bananenstauden und wechselten in den Nachbarraum. Dort sollten wir Platz nehmen, die Bananen schälen und in einen ausgehöhlten Baumstamm legen. Gesagt, getan! Zu den geschälten Bananen gaben wir einige Blätter der Bananenstauden hinzu. Beides wurde von der Hausbesitzerin in heftigen Bewegungen geknetet, bis sich weiße Flüssigkeit absonderte. Die Bananen werden somit unter Verwendung der Bananenblätter wie durch ein Sieb gedrückt und es bleiben fast keine sichtbaren Rückstände übrig. Der Bananenblättermix wird anschließend an das Vieh verfüttert. Die milchige Flüssigkeit seiht man ab, versetzt sie danach mit Hirsekörnern und lässt sie drei Tage in einem Bottich zugedeckt stehen. Danach ist das Bananenbier fertig.

Nach diesen Erklärungen und praktischen Einsichten in die Bierherstellung wollten wir das Gebräu eigentlich nicht mehr selbst probieren. Doch aus Höflichkeit tranken wir selbstverständlich das bereits vor drei Tagen angesetzte Bananenbier aus einem kleinen Emailletopf. Na dann Post! Möge es unserem Magen und Darm wohl bekommen! Das Bier war auch gar nicht so unlecker. Es erinnerte uns vom Geschmack ein wenig an Federweißer.

Zum Abschied liessen wir uns noch einen kleinen gelben Plastikkanister Bananenbier abfüllen, denn schließlich sollten auch Lotti und Thomas mal in den Genuss kommen. Was sie wohl dazu sagen würden?

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