Das Nationalmuseum in Kanombe

Durch meine Arbeitskolleginnen der GIZ hatte ich einen Hinweis auf eine Ausstellung bekommen. Der ehemalige Präsidentenpalast ist seit drei Jahren das „Rwanda Art Museum“ (Nationalmuseum) und beherbergt einige Gemälde aus der Zeit nach dem Völkermord und kleinere Skulpturen. Außerdem sieht man die Trümmer des Flugzeuges des Rwandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana, das im April 1994 abgeschossen wurde und damit den Völkermordes auslöste.

Das Gelände besteht aus einer großflächigen Parkanlage, einem alten und unterdessen ungenutzten Swimmingpool, der ebenfalls Teil eines Kunstobjektes ist, sowie einer gut erhaltenen zweietagigen Villa aus den 1970er Jahren.

Thomas und ich hatten uns schon vor längerer Zeit vorgenommen, den ehemaligen Präsidentenpalast zu besichtigen. Heute sieht man nur noch einen Teil des ehemaligen präsidialen Schlafzimmers mit einem eingebauten massiven Schrank aus dunklen Holzkassetten. Eine typische 70-er Jahre Treppe führt in einem leichten Halbkreis vom EG ins 1. OG. Die Stufen sind mit Teppichboden bespannt, das Geländer ebenfalls aus dunklem Holz und einige Wände mit groß-gemusterten Wandfliesen dekoriert. Im Lichtschacht der Treppe zwischen beiden Etagen hängt ein riesiger Kronleuchter aus Glas.

Einige Ausstellungsobjekte sind im Freien in ganz wunderbarer Art und Weise mit dem Charm vergangener Zeiten in Szene gesetzt. Bei anderen Objekten hatte man jedoch den Eindruck, sie seine in Eile und ein wenig wahllos in einem Wirrwarr aus weissen von der Decke herabhängenden Stoffbahnen im Inneren der alten Villa arrangiert worden. Die Schilder mit den Objektbeschriftung in englischer Sprache und in Kinyarwanda klemmten teilweise schief und nicht auf das Ausstellungsstück ausgerichtet unter den Gemälden. Spuren vorheriger Aufhängungen mit Dübelresten und offenen Löchern waren teilweise noch an den Wänden sichtbar und wurden nur unzureichend durch die neuen Ausstellungsstücke verdeckt.

Ich musste an meine Freundin Kerstin denken, die im Stadtschloss und -museum Hoyerswerda zahlreiche Sonder- aber auch Dauerausstellungen konzipiert und mit unendlicher Sorgfalt und Akribie praktisch umgesetzt sowie anschließend in den sozialen Medien erfolgreich beworben hat. Diesbezüglich wurden zuerst interaktive und multimediale Konzepte erarbeitet, um auch ganz sicher die beabsichtigte Zielgruppe anzusprechen und zu erreichen.

Eine solche arbeitsintensive Herangehensweise habe ich bisher bei Ausstellungsbesuchen in Deutschland nicht so zu schätzen gewusst und auch gar nicht richtig wahrgenommen. Es ist für mich bisher stets eine Selbstverständlichkeit gewesen, gut aufbereitete Ausstellungsstücke mit korrekt recherchierten Hintergrundinformationen in ansprechender Art und Weise präsentiert zu bekommen. Die Gegenwart bietet dafür schließlich zahlreiche technische und (innen)architektonische Möglichkeiten.

Doch aufgrund unserer aktuellen „kulturellen Unterversorgung“ fallen mir nun diese bedeutsamen Einzelheiten bei unseren Besuchen einheimischer Kunst- und Kulturangebote viel stärker auf. Ein Grund dafür sind sicherlich die für Kunst und Kultur zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel aber auch das besondere nationale Verständnis von und das Interesse an Kultur.

Kunstobjekte müssen in Szene gesetzt werden, um richtig wirken zu können. Das Ambiente spielt eine nicht unerhebliche Rolle und trägt zum eigentlichen Kunsterlebnis mit bei. Außerdem sind Kunst und Kultur Bildungsbereiche, die die eigene Identität stärken. Gleichzeitig fördern sie aber auch die Auseinandersetzung mit Zeitepochen und länder- sowie generationsübergreifenden Themen.

Um die Gegenwartskunst Rwandas aber auch die Historie für die Zukunft zu erhalten und nachhaltig wirken zu lassen, ist die Art und Weise deren Präsentation wichtig. Dann bewegt Kunst, verbindet die unterschiedlichen Betrachter, regt sie zum Austausch an und bildet Generationen.

Das „Rwanda Art Museum“ hatte für uns einen ganz eigenen Charm. Ehrfürchtig sind wir mit einer lokalen Begleiterin durch die Räume und über das Gelände gegangen, haben Informationen bekommen und konnten uns umsehen. Die Schwere und Dramatik der erst 27 Jahre zurückliegenden historischen Ereignisse war deutlich zu spüren. Trotzdem sahen wir mindestens 4 Hochzeitspaare, die sich zeitgleich mit ihrer gesamten Gästeschar in dem Gelände professionell fotografieren liessen. Es herrschte eine ausgelassene lustige und feierfreudige Stimmung. Sogar die Hochzeit eines Militärangehörigen wurde an diesem Sonntag bildgewaltig festgehalten.

Der Umgang mit der eigenen Landesgeschichte und mit der durch sie entstandenen Kunst ist in Rwanda ein anderer, als wir in Deutschland erwarten würden oder für möglich halten. Für uns einerseits erst einmal befremdlich aber andererseits auch erkenntnisreich und bildend.

Somit hatte Kunst auch diesmal wieder einer verbindende Komponente, Auftrag erfüllt!

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