Tag 8, Zwangspause und Abreise Tag 9

Pünktlich 7:00 Uhr sind wir mit unserem Guide zum Frühstück verabredet. Es gibt wie jeden Morgen frischen Ingwer-Limetten-Tee. Die Frau des Hauses brüht zur geschmacklichen Verbesserung sogar die Ingwerblätter mit auf.
Wir haben in einem schönen “Teehaus” in Chumling auf 2200 Metern übernachtet. Von dort ist die Aussicht auf die Berge genial.

Vor uns liegen weitere zwei “Abstiegstage” mit steilem Wegprofil. Über Nacht sind meine Knieschmerzen schlimmer geworden, das linke ist angeschwollen und ich kann weder auf- noch abwärts gehen. Somit beschließen wir eine eintägige Zwangspause zur Regeneration. Allerdings schießen uns sofort sorgenvolle Gedanken durch den Kopf: sollte es keine signifikante Verbesserung geben…wie komme ich dann aus den Bergen nach unten? Der Aufstieg ist uns noch allzu klar im Gedächtnis geblieben mit seinen steinigen, steilen Treppen, unwegsamen schmalen Wegen und nass-rutschigen Felsbrocken. Die Sprengungs-und Steinschlaggebiete nicht zu vergessen! Daher haben wir eine Vorstellung davon, wie anstrengend ein Abstieg unter diesen Bedingungen mit meinen angeschlagenen Knien sein würde. AUSGESCHLOSSEN!! KEINE CHANCE! Es muss eine Alternative her.

Was ist realistisch? Maultier oder Pferd? Ich werde also wie ein Sack Reis auf den Tierrücken geschnallt und los geht es, im Schunkeltempo abwärts. Ich sehe mich schon auf dem kleinen buntverzierten Sattel sitzen, krampfhaft eine Möglichkeit zum Festhalten suchend und bei jedem Abwärtstritt meines “Transportmittels” angstvoll nach vorn/unten kippend. Keine ideale Vorstellung aber ziehen wir das mal in Betracht. Leider sagen uns Einheimische, dass diese Option entfällt, da Ungeübte auf diesen Wegen keine Sekunde im Sattel bleiben. Es ist zu gefährlich, die Wege zu schmal und zu steinig. Selbst die Bergbewohner laufen neben ihren Caravanen an Maultieren, Eseln oder Pferden her und nur auf ebenen Strecken reiten sie dann.

Andere Optionen fallen uns nicht wirklich ein. Also erst einmal abwarten und Tee trinken (im wahrsten Sinne) und den Genesungsverlauf beobachten. Ich bandagiere wieder mein Knie, lege es hoch, sitze in der Sonne und versuche trotz Schmerzen den Ausblick auf die gegenüberliegenden Berge und den kleinen Garten am Farmhaus zu geniessen sowie dem allgemeinen Treiben zuzuschauen.

Der Tag vergeht. Thomas und Rabin spielen das handy-game “Tiger and Goat” oder
“Mühle”. Letzteres mit hellen und dunklen Granitsteinen, die mit einem Hammer auf die entsprechende Grösse zerkleinert wurden. Das Spielbrett ist ein Stück Papier mit aufgemaltem “Mühle-Muster”. Die Not macht erfinderisch und Spass kommt trotzdem auf.
Meine Knieschmerzen lassen im Tagesverlauf nicht nach und auch die Schwellung geht nicht zurück. Dazu gekommen sind noch leichte Hämatome um die Kniescheiben. Ich bin deprimiert! Tatsache ist, ich komme hier aus eigener Kraft nicht mehr weg. Also bleibt nur noch der Helikopter.

Nun geht es richtig los. Rabin und Thomas wechseln sich ab:

  1. Zahlreiche Anrufe bei unserer Trekkingagency
  2. Kontaktaufnahme zum Helikopterteam für eine Preisanfrage (können wir uns das überhaupt leisten?)
  3. Anfrage bei der nepalesischen Naturschutzbehörde für eine Sonderflugerlaubnis in die “restricted area” (diese wird jedoch abgelehnt)
  4. Anruf bei der Deutschen Botschaft in Kathmandu mit der Bitte um Unterstützung beim Erwirken der Sonderfluggenehmigung
  5. Kontaktaufnahme zu unserer Auslandskrankenversicherung…

Wir sind alle sehr angespannt. Erst am nächsten Tag zur Mittagszeit steht fest, ich kann ausgeflogen werden. Es ist ein ständiges Hin und Her zwischen Verantwortlichen, Zuständigen und Besserwissern. Die Kosten liegen bei 3600 $ plus X! Man weiss ja nie, wer noch wofür eine Gebühr erhebt.
Erleichterung aber auch ein wenig Angst vor dem wackeligen Helikopterflug durch das enge Bergtal nach Kathmandu. Wir verabschieden uns von unserer Gastfamilie und bekommen selbstverständlich einen Reisesegen.

Tag 7, Abstieg auf 2200 Meter

Erholung war gestern! Heute stand wieder mal eine lange Tagestour an. Wir wollten/ mussten 18 km und 1100 Meter im Abstieg durch das “Tsum Valley” bewältigen. Im Gegensatz zum Aufstieg war für den Rückweg gigantisches sonniges Wetter und das bereits beim Aufstehen 6:00 Uhr. Wir wollten aufgrund der langen Strecke zeitig los. Und siehe da, erstmalig wurden wir richtig belohnt, sowohl fürs frühe Aufstehen, als auch für die körperlichen Anstrengungen. Wir erhaschten einen freien Blick auf die 6000-er bzw. 7000-er Gipfel “Ganesh Himal” und “Buddha Peak”.

Das Tsum Valley sah natürlich bei Sonnenschein noch einmal viel schöner aus und wir genossen entspannter und öfter den Blick in die Umgebung und beobachteten die einheimische Bevölkerung bei der Ernte.

Mittagsrast hielten wir bei einer Familie in deren Farmhaus. Aufgrund der Regenzeit sind generell nur sehr sehr wenige “Teehäuser” für Touristen geöffnet und man muss bei den Familien konkret anfragen. Häufig sind sie jedoch mit ihren Vorräten noch gar nicht auf Gäste eingestellt. Auch die zur Vermietung stehenden Zimmer sind noch nicht vorbereitet bzw. gereinigt. Dann geht ein Familienmitglied erst einmal aufs Feld, erntet Kartoffeln, schneidet im Garten hinter dem Haus Kräuter und dann beginnt das Kochen. Schnell wird so eine 2-stündige Mittagspause aus einer eigentlich nur kurz geplanten Rast und die Ernährung wird schnell einseitig (Reis mit Linsen, Kartoffeln mit Knoblauch, Nudeln mit Knoblauch).

Leider mussten wir auch abwärts wieder eine der unliebsamen “Landslide area” passieren. Möglichst schnell wollten wir dieses Gebiet hinter uns bringen, was abwärts für meine Knie und auch für Thomas, aufgrund der Blasen an den Füssen, eine grosse Herausforderung war. Aber wir schafften den gesamten Abstieg, waren aber völlig k.o!
Für uns stand nun fest, wir verkürzen unsere geplante Trekkingtour von 18 auf 12 Tage, steigen weiter ab und werden in der restlichen Zeit mit unserem Guide eine “Villagetour” machen. Seine Familie würde uns herzlich aufnehmen, bekochen und wir könnten nach Lust und Laune kleine Wanderungen von seinem Heimatdorf aus unternehmen. Das klang nach einem guten Plan!

Tag 6, Pause

Unseren “Entspannungstag” bzw. Höhenakklimatisierungstag wollen wir selbstverständlich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Unser Guide, Rabin, schlägt uns dafür eine 2-Stundentour zu einem Kloster in 3700 Metern vor. Wir wollen unser Glück versuchen und hoffen, uns so an die Höhe zu gewöhnen.
Entspannt starten wir nach dem Frühstück gegen 9:30 Uhr. Es ist ein traumhafter sonniger Tag und die Sicht ist phantastisch! Wir sehen Yaks, Bergziegen und Rehe und beobachten fasziniert die Bewegung der Wolken.

Ohne grössere Probleme, jedoch mit leichten Kopfschmerzen, die sich über den Tag doch bemerkbar gemacht hatten, erreichen wir das Kloster. Dort treffen wir sogar 3 der derzeit dort lebenden 7 Mönche an. Weitere 20 Mönche des Klosters waren gerade in Indien, um den Dalai Lama zu treffen und von ihm in der buddhistischen Lehre unterwiesen zu werden. In der Hauptsaison können vereinzelt Touristen im Klosterkomplex übernachten. Ein Teil der Gebäude ist mehrere hundert Jahre alt, genau können das die Mönche auch nicht mehr sagen. Auch sie sind alt und haben vieles nur aus Überlieferungen, Erzählungen und Berichten erfahren.

Wir bekommen einen Tee angeboten und Dank unseres Guides kommen wir auch mit den Mönchen leicht ins Gespräch. Nach einigen interessierten Fragen unsererseits dürfen wir sogar in das Innere ihres Gebetsraumes eintreten.

Der Hauptraum ist relativ dunkel und überall an den Wänden befinden sich kleine bunte Buddhafiguren in schmalen Holzregalen. Selbstverständlich hängt auch ein Porträt des Dalai Lama als geistlichem Führer in der Mitte des Raumes.

Besonders beeindruckend sind die zahlreichen Bücher, die in orangefarbene Leinentücher gewickelt, mit Holzdeckeln zum Schutz verkleidet und ordentlich in Regale gestapelt sind. Es sind alte Handschriften, von denen Thomas sogar einige fotografieren darf. Sie sind in der eigenen Sprache der Mönche mit Beimischungen von Sanskrit geschrieben. Also können nicht viele Personen diese Texte lesen.

Wir sitzen entspannt in der Sonne und geniessen einen relativ klaren Gipfelblick. Es ist Mittagszeit. Die Mönche werden täglich von einer einheimischen jungen Frau aus einem Bergdorf bekocht, es gibt einfachstes Essen. Somit ist es für uns Zeit zu gehen und den 2-stündigen Abstieg anzutreten.
Aufgrund der anhaltenden und mittlerweile stärker werdenden Kopfschmerzen sind wir verunsichert, wie wir die weitere Trekkingtour gestalten sollen. Noch ist etwas Zeit bis zu einer finalen Entscheidung. Die Tendenz geht jedoch in Richtung “Abstieg”.

Tag 5, Hochebene in den Bergen

Heute, am 06.08. ist unser 2. Hochzeitstag! Etwas verschlafen gibts den ersten Jubiläumskuss.

Wirklich feiern geht heute natürlich nicht aber wir hoffen auf eine tolle Tagestour mit vielen schönen Eindrücken. An diesem Tag sollten wir die 3000 Höhenmeter- Grenze erklimmen und den Ort Nile auf 3300 Metern erreichen. Dort war zur Höhenakklimatisierung ein “Pausentag” eingeplant, auf den wir uns schon sehr freuten.
Am Morgen hatten wir erst einmal einen Aufstieg von 600 Metern vor uns. Das war der Teil, den ich aufgrund meiner schmerzenden Knie am Vortag nicht mehr geschafft hatte.
Unser Guide erzählt uns unterwegs, dass es in der Bergbevölkerung noch häufig Analphabetismus gibt und sie nur wenig Möglichkeiten haben, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Selbstversorgung in härtesten Bedingungen ist ein Muss. Überschuss wird verkauft, doch dazu müssen teilweise lange “Handelswege” in Kauf genommen werden. Um ihre Armut zu minimieren, versuchen einzelne Bergdorfbewohner daher auf eine für uns absolut unbekannte Art Geld zu verdienen. Sie sammeln in abgelegenen Höhen wilden Knoblauch. Für 1 Kg bekommen sie 300$. Ausserdem versuchen sie, im Gipfelschnee die sehr seltene, einheimische Pflanze “yersagumba” (chinesischer Raupenpilz) zu finden. In der gefrorenen Erde ist diese “Pflanze” eine verpuppte Raupe und durch den Schnee drängt sich ein schwarzer Stengel. Für eine Pflanze dieser Seltenheit gibt es 15$. Beide Pflanzen werden für alternativmedizinische Zwecke nach China verkauft, um daraus Salben, Pulver etc. herzustellen. Wir werden leider keine dieser Pflanzen finden, da wir uns in diese Abgeschiedenheit nicht begeben.

Nachdem wir die entscheidende Höhe erreicht haben, eröffnete sich ein wunderschönes Hochtal mit verlassenen Klöstern und weiteren Stupas sowie deren zahlreichen “Mane-Steinen”. Wir sind begeistert und unsere Füsse bzw. meine Knie jubeln. Entspannung beim Laufen!

Bevor wir jedoch unseren Übernachtungsort tatsächlich erreichen müssen wir noch 2 km einen schmalen, matschigen und kuhdungverschmierten Pfad durchbalancieren. Nur nicht stolpern oder ausrutschen!

Wir schieben noch eine Teepause ein, löffeln eine Art Überraschungsei, was wir dann auch zwei neugierigen Kindern spendieren und quatschen mit einer Ladenbesitzerin. Ihre Waren bekommt sie aus China. Von dort ist die Versorgung schneller als durch den Markt im Tal. Daher findet man allerdings fast ausschliesslich chinesische Produnkte im Angebot. Ganz besonders beliebt ist z.B. Lhasa-Bier.

Tag 4 und 2 schmerzende Knie

Für heute liegt ein langer Weg vor uns, jedoch sind nur 300 Höhenmeter zu bewältigen. Bereits auf den ersten Metern der Wegstrecke schmerzen meine Knie. Sie sind von den letzten beiden sehr anstrengenden Tagen schon sehr angegriffen. Ich muss die erste Ibuprophen 600 nehmen, um weiter mithalten zu können.
Es stellt sich im Tagesverlauf heraus, dass wir zwar insgesamt am Ende nur 300 Höhenmeter bewältigen müssen bzw. hinter uns bringen werden. Jedoch geht es nicht sonderlich knieschonend MEHRFACH am Tag 300 Meter aufwärts und dann gleich im Anschluss auch wieder abwärts. Somit bewältigen wir eigentlich dreimal so viele Höhenmeter. Ich bandagiere mein linkes Knie, um es zu stabilisieren.

Mitten auf dem Weg stehen buddhistische Gebetsmühlen oder Stupas. Letztere muss der Wanderer stets linksseitig passieren, damit ihn das Glück auf seinem Weg nicht verlässt. Also machen wir das so in der Hoffnung, meine Knie sind vom versprochenen Glück begünstigt. Um die Stupas herum sind zahlreiche Steine aufgeschichtet. Auf diesen sind in einer “Mischsprache” aus nepalesisch, Sanskrit und einer “Sondersprache der Mönche” Gebetstexte, alte Weisheiten und kleine Erfahrungsberichte oder Geschichten eingemeisselt. So erklären es uns jedenfalls später einige alte Mönche, die wir in einem Kloster besuchen. Auch Symbole und Zeichnungen erkennt man auf den Stupa-Steinen und alles ist noch erstaunlich gut erhalten.

Unterwegs beschliessen wir, unseren Tagesmarsch zu kürzen (nicht nur meine Knie schmerzen, Thomas hat fürchterliche Blasen an den Füßen) und eine Übernachtungsalternative zu suchen. Da wir inzwischen schon ein paar Tagesmärsche von allen anderen Transportmitteln entfernt sind, hoffen wir, damit unseren Körper wieder regenerieren zu lassen. Viel Auswahl gibt es jedoch leider nicht. Wir kommen an einem noch nicht ganz beendeten Neubau eines “Teehauses” vorbei. Dort fragen wir an und können über Nacht bleiben. Es gibt keinen Strom, keine Toilette und an duschen/waschen ist nicht zu denken. Wir fühlen uns ins Mittelalter versetzt. Die Gastfamilie lebt zwischen Müll, Schlamm und Kuhmist. Die Kinder sind so dreckig und in Lumpen gehüllt, dass man sie auf keinen Fall berühren möchte. Als Küche dient ein verdrecktes Zelt mit einem kleinen Gaskocher und zwei Holzbänken. So etwas haben wir noch nie gesehen. Alternativlos ergeben wir uns unserem Schicksal.

19:00 Uhr wird es stockdunkel und wir können uns nur noch mit unseren Taschenlampen halbwegs orientieren. Unser “Zimmer” ist holzverkleidet, das Dach jedoch noch nicht komplett gedeckt. Somit wird es wohl eine klare, kalte Nacht werden. Wir mummeln uns in unsere Daunenschlafsäcke und ich bete, dass ich nicht noch einmal auf die “Toilette” muss.

Gute Nacht!

Der Anstieg auf 3000 Meter Höhe muss auf uns warten, morgen schaffe ich den Aufstieg bestimmt.